Teil 1: Wie entsteht eine Umleitung?
Ab heute ist er zu, der Knotenpunkt Mannheim Hauptbahnhof. Die Bus- und Stadtbahnhaltestelle ist jetzt bis voraussichtlich Anfang Oktober gesperrt – für die Bauarbeiten zum viergleisigen Ausbau und zur Kapazitätserweiterung der Haltestelle. Für die Dauer der Sperrung ist für den Fahrgast einiges anders im Mannheimer Verkehrsgebiet. Heute wollen wir einen Blick darauf werfen, wie eigentlich die Planung des Umleitungskonzepts abläuft. Dabei ist die Baumaßnahme am Mannheimer Hauptbahnhof ein gutes Beispiel, immerhin handelt es sich um einen zentralen Umsteigepunkt für das rnv-Netz.
Aber wie wird eigentlich ein Linienkonzept gestaltet, bei dem ein solch wichtiger Knoten ausgelassen werden muss? Wird das gesamte Linienknäuel betrachtet oder werden alle Linien im Einzelnen umgeleitet?
Die Antwort ist einfach: Bei kleineren Umleitungsmaßnahmen am Rande des Liniennetzes, bei denen etwa nur ein einzelner Ast einer Linie betroffen ist, kann die Linie einzeln betrachtet werden, da das Gesamtgefüge nicht beeinflusst wird. Bei Umleitungsmaßnahmen in der Mitte des Liniennetzes, wie in diesem Fall bei der Sperrung des Mannheimer Bahnhofsvorplatzes, fällt der erste Blick hingegen auf das große Ganze. Schließlich beeinflussen sich die vielen sich kreuzenden Linien gegenseitig.
Grundkonzeption und Infrastruktur
Doch wie ist der Ablauf bei der Konzeption einer Umleitung, die die Angebotsplanung der rnv erstellt? Wichtig für die Konzeption ist zuerst der Blick auf den Zeitraum, in dem die Umleitung benötigt wird, um zu prüfen, ob es zeitparallele Baumaßnahmen gibt. Diese könnten einen eigenen Einfluss auf das Verkehrsnetz während der Umleitungsphase haben und müssen von Anfang an mit bedacht werden. Im Beispiel der Sperrung am Mannheimer Hauptbahnhof ist das die bevorstehende Gleiserneuerung auf der Mannheimer Kurpfalzbrücke später im Sommer. Diese hat hier keine Auswirkungen auf die Grundkonzeption für die Umleitung der Hauptbahnhofsperrung, sondern benötigt ein zusätzliches Umleitungskonzept. Sie sorgt zwar für eine eigene Umleitung, verändert aber das für die Baumaßnahme am Hauptbahnhof geltende Umleitungskonzept nicht. Dennoch ist es wichtig, abweichende Fahrwege frühzeitig zu kennen, vor allem für eine nachvollziehbare Kommunikation an die Fahrgäste.
Schubladenplan oder neu machen?
Bei der Konzeption der Umleitung bietet auch der Blick zurück in die Vergangenheit hinsichtlich der einzelnen Linien einen großen Mehrwert: Im rnv-Verkehrsgebiet lässt sich auf zahlreiche frühere Maßnahmen mit Umleitungen zurückblicken. Damit hat die Angebotsplanung der rnv jede Menge Umleitungspläne in den Schubladen, die man bei Bedarf hervorholen und anpassen kann. Wichtig ist bei der Rückschau auf vergangene Umleitungen die Erkenntnis, ob es mit dem damaligen Konzept gut abgelaufen ist und ob das Konzept daher beibehalten werden kann. Hier fließt auch das Feedback der Fahrgäste (etwa über die Kundenkontakt-Hotline) ein, das einen Ausschlag gibt, wie gut oder schlecht Umleitungskonzepte im Rückblick bewertet werden.
Beim Mannheimer Hauptbahnhof hat dieser Blick zutage gefördert, dass fast alle Stadtbahnlinien mit ihren aus der Vergangenheit bekannten Umleitungswegen gut funktionieren. Nur bei zwei Linien ist der „Schubladenplan“ nicht mit den Ansprüchen des Gesamtkonzepts vereinbar. Hier ist der Auslöser die Linie 9 EX, die eine besondere Berücksichtigung erfordert.
Die Sache mit den Linien 8 und 9
Die Hauptfunktion des Angebots der Linie 9 EX ist die Verbindung zwischen Bad Dürkheim und Mannheim Hauptbahnhof, zudem erfüllt sie den Zweck der Verdichtung, also eines ergänzenden Fahrtenangebots, in Richtung Neuostheim auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs. Eine simple Umleitung rund um den gesperrten Hauptbahnhofsvorplatz und weiter nach Neuostheim wäre für die wichtigste Funktion der Linie 9 EX nicht ausreichend – weil die Bahnen der Linie den DB-Knotenpunkt Hauptbahnhof dann gar nicht bedienen würden. Die bessere Alternative ist daher, die Linie 9 EX von der Rheinbrücke kommend nach Neckarau umzuleiten. Mit der Bedienung der Haltestelle MA Hauptbahnhof Süd kommt die Linie 9 EX nahe (und damit für Pendler besser) an den Hauptbahnhof heran.
Wenn die Linie 9 EX nach Neckarau fährt, kann sie – schienengebunden wie sie ist - nun aber ihre zweite Funktion der Verstärkung von und nach Neuostheim nicht wahrnehmen. Daher entschied sich die Angebotsplanung der rnv, die notwendige Umleitung der Linie 8 EX zu nutzen. Diese Expresslinie hat die Funktion, den Mannheimer Hauptbahnhof mit Oppau, mit der BASF und mit der Innenstadt von Ludwigshafen zu verbinden. Sie übernimmt für die Dauer der Sperrung die zweite Funktion der Linie 9 einfach mit und verdichtet in der Mannheimer Schwetzingerstadt und weiter Richtung Luisenpark bzw. Neuostheim.
Fahrzeuggrößen
Nachdem der Linienverlauf für die Umleitung geklärt ist, wird in einem weiteren Schritt der erforderliche Fahrzeugeinsatz geplant – schließlich muss mit den vorhandenen Stadtbahnfahrzeugen eine geänderte verkehrliche Situation bewältigt werden. Die erforderliche Fahrzeuggröße ist hier die maßgebliche Frage. Ausgangspunkt für die Betrachtung sind die normalerweise auf diesem Linienabschnitt vorhandenen Fahrgastströme. Besteht keine reguläre Linienverbindung, müssen Daten verschiedener Teilabschnitte abgeglichen werden und die zu erwartende Fahrgastnachfrage abgeschätzt werden. Im Falle des Hauptbahnhofs ist dies für den zusätzlichen Busshuttleverkehr zwischen dem Regionalbusbahnhof am Bahnhofsvorplatz und der Haltestelle Wasserturm erforderlich gewesen. Hier wird auf Basis der Einschätzung erwartbarer Fahrgastströme ein regulärer Bus eingesetzt – und nicht etwa ein kleinerer Midibus.
Ein komplexes Feld
Klingt soweit ganz einfach? Ganz klar Jein, denn neben der Konzeptionierung für den großen Gesamtumleitungsplan der einzelnen Linien geht es schnell ins Detail bei der Umleitungsplanung, gerade bei der Sperrung des so hoch frequentierten Knotenpunkts am Mannheimer Hauptbahnhof. In einem nächsten Beitrag wollen wir uns deshalb die Detailfragen der Umleitungsplanung ansehen: Warum fahren die Bahnen so?
Infobox
Von Mittwoch, 11. Mai 2022, bis voraussichtlich Freitag, 30. September, wird die Bus- und Stadtbahnhaltestelle Mannheim Hauptbahnhof gesperrt. Dadurch kommt es zu großflächigen Umleitungen.
Die Verkehrsmeldung mit den Umleitungen für die einzelnen Stadtbahn- und Buslinien ist hier zu finden.
Hintergrund
In einem gemeinsamen Bauprojekt von Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv), MV Mannheimer Verkehr GmbH und Stadt Mannheim wird die Stadtbahnhaltestelle Mannheim Hauptbahnhof um einen vierten Bahnsteig erweitert. Alle Bahnsteige werden zudem auf bis zu 70 m verlängert und in voller Länge barrierefrei ausgebaut.
Einen Überblick über den bisherigen Sachstand auf der Baustelle bietet dieses Video:
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