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Der Joker unter den Linien?

Florian Benz

am 11. November 2020

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rnv-Bahn mit Beschriftung "E" im Linienfeld

Das Phantom der E-Linie

Wer mit dem ÖPNV unterwegs ist, dem ist sicher schon einmal ein Linienbus oder eine Straßenbahn aufgefallen, bei dem keine Liniennummer auf der Zielanzeige zu sehen ist, sondern nur der Buchstabe E. Wie kann es sein, dass Busse und Bahnen mit einem E im Linienfeld überall im Verkehrsgebiet herumkreuzen, die unmöglich mit einer bestehenden Linie sinnvoll verbunden werden könnten? Anders als bei so manch anderem Verkehrsbetrieb sind bei der rnv alle Linien nummeriert, was also hat hier ein Buchstabe verloren? Wir können aufklären!

Hinter diesem mysteriösen E verbirgt sich nicht etwa eine geheime Linie, sondern eine besondere Extrafahrt: Etwa Verstärkerfahrten bei Bussen, Ein- und Ausrückerfahrten bei Straßenbahnen oder eine Fahrt zum Bewegen des Straßenbahnfahrzeugs abseits des eigentlichen Verkehrs „auf Linie“. Ein Unterschied besteht zwischen Bussen und Bahnen. Bahnen, die vom Betriebshof auf dem Weg zum Startpunkt ihres regulären Linienverlaufs sind, also „ausrücken“, oder von ihrer Linie abgezogen werden und auf einem Weg abseits ihres bisherigen Linienwegs zurück in den Betriebshof fahren, also „einrücken“, werden mit einem E überschrieben. Und das sind eine Menge Fahrten - es kann ja schließlich nicht jede Straßenbahnlinie am Betriebshof beginnen und enden. Das bedeutet wiederum, dass es zum Auftreten der mit einem E überschriebenen Fahrzeuge vor allem früh morgens sowie abends kommt. Schließlich werden von morgens bis abends im Lauf des Arbeitstages mehr Bahnen benötigt, um im Gegensatz zum ausgedünnten Takt der Nacht das übliche breite Angebot des Tages zu halten. Eine weitere Möglichkeit für eine Extrafahrt, die mit E überschrieben wird, ist die Überführung eines Schienenfahrzeugs von einer Linie in eine andere ,wenn also ein Fahrzeug an einem Punkt aufhört, die eine Linie zu bedienen, um beispielsweise auf der anderen Seite der Stadt die Bedienung einer anderen Linie aufzunehmen. Sobald ein Fahrzeug dann den eigentlichen Linienweg erreicht hat, ändert sich auch die Anzeige an der Stirnseite: Aus dem E wird die Zahl der regulären Linie, die von nun an bedient wird.

E wie „Extrafahrt“

Auch die rnv-Busse haben häufig ein E überschrieben – allerdings nicht, wenn sie ein- oder ausrücken. Bei diesen Ein- und Ausrückerfahrten tragen Busse das im rnv-Verkehrsgebiet wohlbekannte (und für nett oder blöd befundene) „Sorry, außer Dienst“ auf ihrer Zielanzeige. Damit sind im Übrigen auch alle Fahrzeuge überschrieben, die Pause machen. Busse auf dem Weg zu ihrem Einsatzort (oder zurück in den Betriebshof) bedienen unterwegs keine Haltestellen. Sie fahren mit allen anderen Verkehrsteilnehmern direkt zu ihrem Ziel. Steht bei einem Bus das E im Linienfeld, handelt es sich hingegen um eine bei akutem Bedarf eingesetzte Verstärkerfahrt, um den regulären Linienverkehr auf einem Teilabschnitt zu verdichten oder mehrere Linienwege miteinander zu kombinieren. Geplante Verstärkerfahrten, wie der Schülerverkehr zum Schulbeginn oder Schulschluss bekommen hingegen ein E hinter die Liniennummer angefügt. Der Bus bedient zur Kapazitätssteigerung die eigentliche Linie, kann aber beispielsweise früher enden oder die ein oder andere Haltestelle auslassen.

Darin stimmen Busse und Bahnen überein, wenn sie unter einem E fahren: Beide bedienen Strecken oder Haltestellenabfolgen, die es im üblichen Fahrverlauf einer Linie nicht gibt. Entweder, weil sie einen verkürzten Streckenweg bedienen, Parts von zwei verschiedenen Linien miteinander verbinden oder – im Fall von Straßenbahnen – auf dem Weg zu ihrem Einsatzort ohnehin auf dem Schienennetz unterwegs sind. Die Bahnen mit einem E verkehren oft auf besonderen Wegen: Da sich eine Straßenbahn die Gleise mit den anderen Bahnen teilt, ist die Extrafahrt auf dem direkten Wege immerhin nicht immer möglich. Ausweichen oder Überholen ist auf der Schiene keine Option und die weiterhin eine Linie bedienenden Straßenbahnen haben hier Vorrang. Auf dem Weg zum Startpunkt einer Linie, zurück zum Betriebshof oder einem ganz anderen Punkt, an dem eine Linienbezeichnung wieder passt, verkehrt die Bahn nicht auf dem Linienweg einer regulären Linie, weshalb für die Dauer der Überführung keine übliche Liniennummer treffend wäre. Die auf dem Weg zum eigentlichen Ziel liegenden Haltestellen werden von den Straßenbahnen mit einem E im Linienfeld aber bedient. Somit können Fahrgäste die Straßenbahn mit einem E nutzen, auch wenn Sie keine offizielle Linie darstellt und keine festen Abfahrtszeiten hat.* Damit kennen Fahrzeuge mit dem E auch keine Verspätung, sie kommen, wenn sie kommen - auf dem Linienweg, der für diese Extrafahrt vorliegt.

E wie „Einsteigen“

Die Stellung der mysteriösen E-Linie im gesamten Linienangebot der rnv wird zudem besonders deutlich im Vergleich mit den Fahrschul-Bahnen. Diese Bahnen werden mit „Fahrschule“ überschrieben, während das Linienfeld freigelassen wird. Die Fahrzeuge sind zwar ebenfalls im Verkehrsgebiet unterwegs, nehmen aber in keiner Weise am Verkehrsangebot der rnv teil. Es sind interne Fahrten, auf denen eine Gruppe Fahrschüler das Bedienen der Fahrzeuge lernt. Sie befördern keine Fahrgäste.

Ein mit einem E überschriebenes Fahrzeug gehört dagegen schon zum Beförderungsangebot, Einsteigen ist hier ausdrücklich erlaubt. Diese Fahrten gehören nur nicht eindeutig zu einer regulären Linie, da der Fahrtweg abweicht. Daher ist es hier besonders wichtig, auf die Zielanzeige auf der Stirnseite des Fahrzeugs zu achten um sicherzugehen, dass Bus oder Bahn auch in die gewünschte Richtung fahren.

Am häufigsten werden Fahrgäste die mit einem E überschriebenen Fahrzeuge in folgenden Situationen antreffen: Busse mit einem E im Linienfeld kommen vor allem als Verstärkerfahrten zu besonderen, anlassbezogenen Stoßzeiten wie zu Festen oder Messen vor. In eine mit einem E überschriebene Bahn wird man auf der anderen Seite vermutlich vor allem abends beim Einrücken zusteigen. Die letzte Ausstiegshaltestelle ist dabei dann selbstverständlich die vor dem Betriebshof, die deshalb auch in der Zielanzeige auftaucht. Wenn am Abend langsam das Verkehrsangebot ausgedünnt wird, bringen zahlreiche E-Fahrten Menschen auf zielstrebigem Weg in Richtung Betriebshof und halten an den Haltestellen, die sie auf dem Weg zu ihrem Zielpunkt passieren. Deshalb: Einfach mal einsteigen!

Infobox

* Eine Ausnahme sind die als „Linie E“ bezeichnete Fahrten zwischen den Haltestellen Paradeplatz und SAP Arena S-Bahnhof über Neuhermsheim, bei welcher Bahnen der Linie 5 den Abschnitt der Linie 6A übernehmen: Die von Heidelberg kommenden Züge gehen ab der Haltestelle Paradeplatz in die Linie E über, fahren über Schloss und Hauptbahnhof (hier wird der Linienweg der 5 verlassen) zum Tattersall (wieder auf dem Fahrweg der Linie 6A aufgesetzt) über Neuhermsheim zur Haltestelle SAP Arena S-Bahnhof. Auf dem Rückweg fährt diese Linie E zunächst auf dem Fahrweg der 6A bis Tattersall, dann aber abweichend vom üblichen Fahrweg zum Hauptbahnhof, um dort auf die Linie 5 überzugehen. Diese eine Verbindung mit einem E taucht auch in der Fahrplanauskunft auf, nämlich als kleiner Buchstabe hinter manchen Fahrten auf den Aushangfahrplänen oder auch in der rnv Start.info-App. Damit sind sie Teil des Fahrplans und haben feste Abfahrtszeiten.

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