Deutsche Sprache, schwere Sprache
Donaudampfschifffahrtskapitän, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Reiswaffelverpackungsapparat oder auch ganz wild Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung: Deutsch ist eine komplizierte Sprache für Nicht-Muttersprachler, schließlich können durch die Wortbildungsregeln verschiedene Wörter einfach aneinander gekettet werden, um neue, theoretisch unendlich lange Wörter zu bilden (sogenannte Komposita). Das hat zur Folge, dass immer wieder auch Deutsch-Muttersprachler mit neuen langen, zusammengesetzten Wörtern ins Straucheln geraten. Auch die rnv hat so ein Ding mit kompliziertem Namen, auf das sie auch noch ziemlich stolz ist. Immerhin ist besagtes Ding eins von fünf auf der ganzen Welt und so besonders, dass zeitweise auch andere Verkehrsbetriebe zu uns kommen, nur um dieses Ding zu verwenden. Die rnv hat nämlich eine Unterflurdrehmaschine. Eine was?! Eine Unter-Flur-Dreh-Maschine.
Aha. Hä?
Also: Bei Schienenfahrzeugen ist es wie bei allem, was rollt – irgendwann nutzen sich die Räder ab und müssen repariert werden. Zwar besteht bei metallenen Rädern auf den metallenen Schienen nur eine sehr geringe Rollreibung (wodurch das Prinzip Schiene so energieeffizient wird, da mit vergleichsweise geringem Energieaufwand viel Masse transportiert werden kann), beim Bremsen oder beim Rutschen bei verunreinigter Strecke entsteht jedoch schnell Verschleiß. Beispielsweise entstehen so „Plattfüße“ oder „Flachstellen“ beim Blockieren des Rads der Straßenbahn, die eine Unwucht im Rad bedeuten und ein sauberes Rollen verhindern. Auf der Unterflurdrehmaschine (oft als UFD abgekürzt) können diese schadhaften Stellen entfernt werden, ohne dass das Rad ausgebaut werden muss.
Mit der 106 T CNC, so die genaue Bezeichnung, besitzt die rnv eine der seltenen Unterflurdrehmaschinen mit verstellbarer Spurweite zur Regulierung und Instandhaltung der Radreifen von Schienenfahrzeugen. Die Reparaturarbeiten werden dann wie folgt durchgeführt: Zunächst rollt das Fahrzeug in die Halle und wird abgeschaltet, danach wird es auf der UFD festgespannt und schließlich wird an den Achsen und den Rädern abgemessen, wo Schäden sind. Das kann beispielsweise eine vom gewünschten Wert abweichende Spurkranzhöhe oder Spurkranzdicke sein die angepasst werden muss. Dies geschieht per sogenanntem spanabhebendem Verfahren, durch Unwucht überstehendes Material muss also abgehobelt werden, damit alles wieder den gewünschten Wert aufweist. Der Spurkranz ist an den Rädern von Schienenfahrzeugen zu finden – es handelt sich um die überstehende Kante auf der Innenseite des Rades, die verhindern soll, dass das Rad nach außen von der Schiene rollt und also zur Spurführung dient. Zudem sollte auch der Reifendurchmesser innerhalb eines jeden Gestells (das mit zwei Achsen vier Räder hat) des Schienenfahrzeugs einheitlich sein. Dieser kann ebenfalls auf der UFD angepasst werden.
Die ganz besondere UFD bei der rnv
Seit 2003 steht die 106 T CNC auf dem Betriebshof in Mannheim und wird seither rege genutzt: Im Schnitt werden hier pro Woche 10 bis 15 Gestelle bearbeitet, was zwei bis drei Gestelle pro Tag bedeutet. Größte Schwierigkeit ist indes das Rangieren der instandzusetzenden Fahrzeuge, was die meiste Zeit in Anspruch nimmt. Eine Besonderheit der Unterflurdrehmaschine bei der rnv ist außerdem die verstellbare Spurweite: Es können also nicht nur Meterspurfahrzeuge der rnv (sämtliche Schienenfahrzeuge der rnv fahren in Meterspur, also einem Abstand von 1.000 mm zwischen beiden Schienen) bearbeitet werden, sondern auch Normalspurfahrzeuge, die mit 1.435 mm Abstand zwischen den beiden Schienen unterwegs sind. So konnten auch in der Vergangenheit schon diverse Kunden wie beispielsweise private Eisenbahnunternehmen die Benutzung der UFD als Dienstleistung der rnv in Anspruch nehmen. Diese Flexibilität ist durchaus besonders: Die Unterflurdrehmaschine des Typs 106 T CNC gibt es nur fünf Mal auf der Welt.
Wo gehobelt wird, da fallen Späne. In unserer kleinen Bildergalerie lässt sich die UFD aus der Nähe betrachten.