Moritz Feier

am 07. Februar 2020

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Bus und Bahn an einer Haltestelle

Die Verkehrswende tut not

Der ÖPNV ist eine kommunale Leistung: Die Gemeinschaft leistet sich ein Fortbewegungsmittel für Jedermann. Die Kosten für die Fahrten, Fahrzeuge, Strecken etc. werden über Steuern finanziert, schließlich können diese durch den Fahrscheinverkauf nicht gedeckt werden. In den vergangenen Jahrzehnten war die Marschrichtung, die dem ÖPNV seitens der Politik vorgegeben wurde, eindeutig: Sparen! Fahrpläne, Personaldecken, Werkstattkapazitäten und vieles mehr wurden auftragsgemäß auf maximale Effizienz zu minimalen Kosten getrimmt. Unter diesen Umständen war viel Engagement und Kreativität nötig, die Angebotsqualität zumindest auf dem Status-Quo zu halten. Vor dem Hintergrund der sich in den vergangenen Jahren zuspitzenden Klimadebatte hat allerdings eine aus Sicht eines Verkehrsunternehmens sehr erfreuliche Trendwende eingesetzt. Grund dafür ist natürlich vor allem die Erkenntnis, dass die Verkehrswende gelingen muss, wenn wir als Gesellschaft unseren Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels leisten wollen. Die Verkehrswende tut not, keine Frage.

Hinter dem sehr technisch klingenden Wort Verkehrswende verbirgt sich ein generelles Umdenken im Bereich der Mobilität: Weg vom Auto, von fossilen Brennstoffen, von verstopften Straßen, hin zu umweltfreundlichen Mobilitätsformen wie dem ÖPNV. Nicht nur uns, die rnv, sondern erfreulicherweise auch viele Politiker, Entscheidungsträger, Vereine und Bürgerinitiativen, treibt daher der Gedanke um, wie wir neue Fahrgäste gewinnen können. Von daher sind wir grundsätzlich für jeden Vorschlag dankbar, der darauf abzielt, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, vom Auto auf Bus und Bahn umzusteigen.

Nun häufen sich in den letzten Monaten immer mehr Vorschläge, den ÖPNV mit verschiedenen Ansätzen deutlich günstiger oder sogar kostenlos anzubieten. Das klingt natürlich für potentielle Fahrgäste zunächst einmal verlockend. Würde man eine Jahreskarte – im Verbund oder auch nur für ein Stadtgebiet – für 365 Euro anbieten, dann wäre das im Vergleich zu allen anderen Mobilitätsformen sicherlich ein unschlagbarer Preis von einem Euro pro Tag im Jahr. Und auch ein kostenloser ÖPNV am Wochenende würde bestimmt die eine oder den anderen dazu bewegen, das Auto stehen zu lassen und mit Bus und Bahn zum Shoppen oder ins Kino zu fahren.

Qualität kostet

Schaut man etwas genauer hin, zeigt sich aber, dass sich Fahrgastzahlen auch durch massive Vergünstigungen nur bedingt steigern lassen. Dies belegen unter anderem die Erfahrungen aus Bonn, wo ein Jahresticket für 365 Euro eingeführt wurde. Bei der rnv können wir diese Effekte auch aus eigener Anschauung bestätigen. Im Kontext des Projekts „Modellstadt Mannheim“ können Fahrgäste seit Anfang 2019 verschiedene Tickets zu einem deutlich vergünstigten Preis erwerben. Nach ersten Berechnungen hat dies zu einem Anstieg der Fahrgastzahlen von etwa 6 Prozent geführt. Überall dort, wo wir im Untersuchungszeitraum allerdings das Angebot durch dichtere Taktung und bessere Linienwege optimiert haben, konnten wir hingegen einen Fahrgastzuwachs von etwa 25 Prozent verzeichnen. Die Erfahrung aus Mannheim zeigt auch, dass die Einnahmeverluste durch vergünstigte Tickets nur zu einem geringen Teil durch den steigenden Ticketabsatz ausgeglichen werden. Ähnliches war in Wien zu beobachten, wo die Einführung eines 365-Euro-Tickets unter anderem durch höhere steuerliche Abgaben für Privatunternehmen finanziert werden musste.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass im ÖPNV der Preis wesentlich geringere Auswirkungen auf die Fahrgastzahlen hat als die Qualität des Angebots. Das liegt unter anderem daran, dass in den Innenstädten der ÖPNV für viele ohnehin schon das Fortbewegungsmittel der Wahl ist: Ein großer Anteil der Menschen in Städten nutzen nicht das Auto, sondern umweltfreundliche Verkehrsformen wie das Fahrrad oder Bus und Bahn. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass ein Großteil der Feinstaub- und CO2-Belastung in den Städten auch durch die Autos der Menschen verursacht, die aus dem Umland einpendeln müssen. In der Metropolregion sind das bekanntlich eine ganze Menge. Will man die Nutzerzahlen im ÖPNV signifikant steigern, so gilt es unter anderem, diesen Menschen einen alltagstauglichen Zugang zum ÖPNV zu ermöglichen – im Idealfall mit dem Bau neuer Gleistrassen ins Umland der Stadtzentren.

Aus der Alltagsperspektive des einzelnen Nutzers formuliert: Um ein kostenloses oder unschlagbar günstiges Ticket genießen zu können, braucht es eine entsprechende Anbindung: Einen Bus oder – noch besser – eine Straßenbahn, die in der Nähe meines Wohnhorts abfährt und idealerweise auch dort endet, wo man hinwill. Klasse wäre es, wenn diese Fahrzeuge dann noch komfortabel, modern und barrierefrei sind und in einem dichten, belastbaren Takt fahren. Wenn im Übrigen die Person, die hinter dem Steuer des jeweiligen Gefährts platznimmt, unter vernünftigen Bedingungen arbeitet, so ist das für die Kundinnen und Kunden in der Regel auch nicht von Nachteil. Auch eher weiche Faktoren sind wichtig: Soll der an sich schon umweltfreundliche ÖPNV dann durch die Nutzung neuer Antriebstechnologien noch umweltfreundlicher gemacht werden, führt das ebenfalls zu weiteren Kosten. Das heißt: Guter ÖPNV kostet Geld.

Je nach Qualitätsansprüchen und dem Maßstab, den man anlegen möchte, sogar richtig viel Geld. Jedem, der deutlich vergünstigte Tickets oder einen zumindest teilweise kostenlosen ÖPNV fordert, muss also klar sein, dass dies zu erheblichen Einnahmeverlusten führt, die durch die Öffentliche Hand ausgeglichen werden müssen. Schließlich wird der ÖPNV von der ganzen Gesellschaft mitbezahlt. In Folge fehlen dann möglicherweise ausgerechnet die Mittel, die nötig wären, um den ÖPNV sinnvoll auszubauen oder noch umweltfreundlicher zu machen. Man kann jeden Euro leider nur einmal ausgeben. Und wenn man uns, die rnv, fragt, ob wir mit besagtem Euro lieber die Preise senken oder eher das Angebot verbessern wollen, dann sagen wir ganz klar: „Gut geht vor Billig!“

Kommentare

12. Februar 2020

Fritz

Komfort, dichtere Taktung und bessere Linienwege sind hier der Knackpunkt, das muss man wirklich nochmal betonen. Wenn das Angebot stimmt, ist der Fahrgast glücklich. Als Fahrgast aus Ziegelhausen beurteile ich das Angebot der RNV leider etwas zwiegespalten: Während die Verbindungen im Innenstadtgebiet sehr gut und bequem funktionieren, lässt die Verbindung nach Ziegelhausen über die Linie 34 ganz klar Wünsche offen. Zu vielen Zeiten ist der Bus stark überfüllt, woraufhin der Kundenservice von RNV oder dem Subunternehmer BRN schonmal zurückschrieb, dass leider keine weiteren oder größeren Fahrzeuge eingesetzt werden könnten.

Im Herbst letzten Jahres hieß es, man wolle die Linie "grundsätzlich anpacken", nachdem es seit Jahren immer wieder Beschwerden gab, doch bislang hat man hierzu noch nichts gehört.

Auf dieser Linie wäre aufgrund der extrem hohen Auslastung eine 10-Minuten Taktung sowie der regelmäßige Einsatz von Gelenk- oder Zusatzfahrzeugen dringend nötig – das würde eine echte Verbesserung darstellen und lässt die politische Forderung nach kostenlosen Tickets bei gleichzeitig viel zu geringen ÖPNV-Ausgaben relativ unüberlegt erscheinen, wenn nicht zügig auch am Ausbau von Angebot und Infrastruktur gearbeitet wird, um eine erhöhte Fahrgastzahl überhaupt zu stemmen!

Frage an die RNV: Welche Aussichten bestehen auf den Ausbau von Busverbindungen, konkret im Bezug auf die Linien in Richtung Ziegelhausen, Schlierbach, Wilhelmsfeld etc.?


10. Februar 2020

Erik

Sehe ich weitestgehend genauso! Lieber normal Teure Tickets und gute Qualität. Zudem ist es meist die reiche Oberschicht, die noch Auto fährt, die kann man nur mit modernen Fahrzeugen und richtig getakteten belastbaren Linien locken. Ich würde jedoch die Tickets für die jenigen vergünstigten die wortwörtlich auf jeden Cent achten müssen (das wird teilweise schon getan).

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