Die geteilte Stadt Ludwigshafen
Am Freitagnachmittag des 22. November heißt es für viele Ludwigshafener und Mannheimer urplötzlich „Nichts geht mehr!“. Sie werden vor vollendete Tatsachen gestellt: Die baufällige Hochstraße Süd in Ludwigshafen erfordert weitere unvorhergesehene Sperrungen. Nachdem die Pilzhochstraße wegen Rissen bereits seit August für den Verkehr abgeriegelt worden war, ist das Bauwerk mittlerweile so marode, dass Einsturzgefahr besteht. Deshalb werden kurzerhand die Unterführung Mundenheimer Straße und die Abfahrt Konrad-Adenauer Brücke/Berliner Platz für alle Verkehrsteilnehmer entlang der Hochstraße gesperrt, was auch den Straßenbahnverkehr über den Rhein und die Konrad-Adenauer-Brücke betrifft. Kein Fußgänger, kein Rad- oder Rollerfahrer, kein Auto, kein Bus und auch keine Bahn können mit einem Mal mehr die üblichen Wege nutzen oder befahren. Ludwigshafen wird durch die schier unüberwindbare Barriere Hochstraße Süd quasi zur geteilten Stadt. Doch nicht nur für Ludwigshafen, auch für Mannheim ändert sich damit alles: Sämtliche Straßenbahnen, die den Rhein queren, fahren anders. Zeiten, Routen, Anschlüsse werden durcheinandergewirbelt. In einem austarierten Verkehrskonzept sind alle Linien aufeinander abgestimmt, wird im ÖPNV eine Stellschraube verdreht, müssen alle anderen ebenfalls nachjustiert werden.
Für unsere Mitarbeiter wird diese Information zum Auftakt für einen Planungsmarathon: Schließlich muss der gesamte Straßenbahnverkehr kurzfristig komplett über die nördliche Kurt-Schumacher-Brücke umgeleitet werden und der wichtige Nahverkehrsknotenpunkt Berliner Platz kann durch den Stadtbahnverkehr vorerst nicht mehr bedient werden. Wer Ludwigshafen kennt, weiß, welch einschneidenden Effekt das hat. Spontan müssen die Betriebszentrale und das Fahrpersonal umschwenken und auf die Situation reagieren. Für die Planungsabteilung gilt es nun, so schnell wie möglich einerseits einen ad-hoc Notfallfahrplan zu erstellen und andererseits auch einen dauerhaft belastbaren Fahrplan für diesen Zustand mit ungewisser Dauer zu finden: Die Kollegen gehen Szenarien und Linienwege durch, müssen ihre Pläne sowohl angebotsseitig beachten – schließlich müssen immer noch tausende Menschen per Straßenbahn zwischen den beiden Städten hin- und herfahren – als auch betrieblich – schließlich muss das Konstrukt auch für Fahrer sowie Fahrzeuge machbar sein und darf nicht zu Staus auf der Schiene führen.
Zum neuen Plan in neun Stunden
Deutlich wird schon am Wochenende, dass die Zeit davonrennt, da spätestens am Mittwoch, 27. November, der Schienenweg über die Berliner Straße und unter der Hochstraße ebenfalls gesperrt wird. Das wiederum bedeutet, dass die bislang im Ludwigshafener Betriebshof in Rheingönheim untergebrachten Straßenbahnen abgeschnitten wären. Ein Evakuierungsplan muss also her, weil die nach Süden führenden Strecken aufgrund der Sperrungen in der Mundenheimer und Berliner Straße nicht mehr erreichbar sind.
Die wichtigsten Fragen drehen sich bei der Planung schnell darum, wie und wann die Straßenbahnen aus Ludwigshafen in das (noch) stehende Streckennetz „rübergerettet“ werden können und wo diese am Ende stehen sollen. Zudem ist offen, welche Haltestelle den Berliner Platz (ein Stück weit) ersetzen kann. Schnell rückt die Kaiser-Wilhelm-Straße in den Fokus, immerhin liegt diese räumlich nahe am Berliner Platz und ist betrieblich besonders geeignet, da Bus und Bahn beieinander liegen. Zudem lässt sich damit der Verkehr zum Ebertpark umleiten, der wiederum für die Bahnen die nötige nahe Wendeschleife mit sich bringt.
Nachdem die Planer sich am Freitagnachmittag an die Arbeit gemacht haben, ist die Konzeption und Erstellung des Notfall-Liniennetzplans für Ludwigshafen und Mannheim irgendwann in der Nacht auf Samstag geleistet. Fürs Erste ist so innerhalb von nur neun Stunden entstanden, was in der Regelumsetzung normalerweise mehrere Tage benötigt. Und direkt geht es weiter mit der Ausarbeitung des zweiten, etwas längerfristigen Konzepts, welches einen operativ stabilen Plan ab Mittwoch vorsieht, um damit wieder die Zügel und belastbare, gleichbleibende Abfahrtszeiten in die Hand zu bekommen. Damit einher geht die Produktion von Informationsmitteln, denn Fahrgäste und Öffentlichkeit müssen per Netzplan, Aushang und Fahrgastinformationstafel informiert werden, aber selbstverständlich müssen auch Fahrpersonal und die Betriebszentrale abgeholt werden.
Was bleibt nach einem schlaflosen Wochenende?
Kurzum: Der größte Teil der rnv-Belegschaft musste in den recht turbulenten Tagen seit der verschärften Sperrung der Hochstraße spontan zu anderen Zeiten, an anderen Orten oder ganz einfach mehr arbeiten. Nun gilt seit Mittwoch, 27. November, das derzeitige Umleitungskonzept für unseren Stadtbahn- und Busbetrieb in Ludwigshafen und Mannheim, mit dem sich dieser allmählich den Umständen entsprechend stabilisieren konnte. Alle betroffenen Bahnen konnten am Dienstag planmäßig aus dem Ludwigshafener Betriebshof evakuiert werden. Zusätzliche Busse für den Ersatzverkehr auf der Linie 6/6A sind im Einsatz, und auch die Datenversorgung der Fahrzeuge und digitalen Fahrgastinformationstafeln läuft mittlerweile wieder planmäßig.
Es bleiben dennoch (und selbstverständlich) noch zahlreiche Stellschrauben, die optimiert werden. Beispielsweise hat sich durch die notwendigen Anpassungen die Reisezeit für einzelne Stadtteile erheblich verlängert. Es ist und bleibt ein nur temporär gültiges Notfallpaket, das durch die unvorhergesehenen Sperrungen im Bereich der Hochstraße Süd in Ludwigshafen sehr zeitnah fällig wurde. Ebenfalls muss sich der nun gültige Fahrplan einpendeln und auch die Fahrgäste müssen sich an die teilweise ziemlich neuen Linienwege gewöhnen. Das große Desaster, das sich freitags abzeichnete, scheint immerhin abgewendet.
Und was nun? Kurz durchatmen, dann weitermachen.