Mehr als nur eine Bordsteinkante
Barrierefreiheit ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren – die möglichst stufenlose Gestaltung öffentlicher Flächen und Verkehrsanlagen ist mittlerweile vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Das bedeutet, dass bei Neubauten, wie beispielsweise einzelnen Haltestellen oder ganzen Strecken, von vornherein barrierefrei geplant werden muss. Und das ist auch gut so, denn dies ermöglicht die alltägliche Teilnahme am öffentlichen Raum für Menschen mit Beeinträchtigungen, Fahrgästen mit Kinderwägen oder schwerem Gepäck. Wer denkt, dass Barrierefreiheit allein durch einen Hochbahnsteig mit einer Höhe von 30 cm gegeben ist, liegt falsch. So vielfältig unsere Fahrgäste sind, so vielfältig sind auch die verschiedenen Einschränkungen und Bedürfnisse jedes einzelnen. Und da hört es eben nicht bei einem Bordstein auf.
Beispielsweise beginnt die barrierefreie Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs nicht erst beim Betreten einer Stadtbahn oder eines Busses – sondern bereits vorher. Nämlich beim Ticketkauf: Die neuen Fahrscheinautomaten an den Stadtbahn- und Bushaltestellen der rnv sind speziell für Menschen mit Behinderung optimiert und wurden gemeinsam mit Behindertenverbänden entwickelt und ausgiebig getestet. Das nach unten versetzte Display erleichtert die Nutzung für Rollstuhlfahrer, eine Sprachausgabe („text-to-speech“) sowie die Darstellung in besonders großer Schrift erleichtert die Nutzung für sehbehinderte Fahrgäste. Ebenso sind die Dynamischen Fahrgastinformationsanzeiger (DFI) an den Haltestellen mit text-to-speech ausgestattet, welche den angezeigten Inhalt vorlesen und so über aktuelle Abfahrtszeiten und eventuelle Betriebsstörungen oder Hinweise informieren.
Außerdem ist an den meisten Hochbahnsteigen und den dazugehörigen Zugängen ein sogenanntes taktiles Leitsystem verbaut. Dies sind spezielle Platten, welche sich durch ihre Oberflächengestaltung farblich und von ihrer Beschaffenheit vom übrigen Pflasterbelag unterscheiden. Mit ihrer Hilfe können sehbehinderte Menschen mit ihrem Blindenstock Überwege und Bahnsteigkante ertasten. Ein spezielles Aufmerksamkeitsfeld im Haltestellenbereich, zu welchem die Fahrerinnen und Fahrer ihre Fahrzeuge bündig zum Stehen bringen müssen, weist auf die erste Tür hin und ermöglicht es den Fahrgästen, sich über die Straßenbahnlinie und das jeweilige Fahrziel der Bahn zu informieren. Auf Augenhöhe für Rollstuhlfahrer angebrachte Gelbblinker mit akustischem Signal erhöhen zudem die Sicherheit im Haltestellenbereich.
Baulich und technisch
Neben der barrierefreien, baulichen Gestaltung der Haltestelle und ihrer angrenzenden Bereiche sind auch die eingesetzten Fahrzeuge ein wesentlicher Teil zur barrierefreien Beförderung. Im Verkehrsgebiet der rnv werden seit Mitte der 90er Jahre Stadtbahnen in moderner Niederflurtechnik eingesetzt, welche den stufenlosen Ein- und Ausstieg an dafür ausgestatteten Haltestellen mit Hochbahnsteig ermöglichen. Im Fahrzeug befindliche Multifunktionsbereiche bieten genügend Platz, um die sichere und bequeme Beförderung von Fahrgästen mit Kinderwagen, Rollstuhl oder Rollator zu gewährleisten. Optische Anzeigen im Fahrzeug gehören ebenso wie akustische Ansagen zur barrierefreien Beförderung dazu.
Natürlich spielt das Thema auch in Zukunft eine große Rolle: Bei der Entwicklung der neuen Rhein-Neckar-Tram (RNT) wurde von vornerein auf eine barrierearme und alltagstaugliche Gestaltung gesetzt. Durch einen offenen Dialog mit Behindertenverbänden und weiteren Organisationen wurde die neue Stadtbahn in vielen Punkten optimiert, damit die Nutzung des ÖPNV für Menschen mit Beeinträchtigungen noch einfacher und sicherer wird. Beispielsweise sind Haltestangen farblich abgesetzt oder der bestehende Platz für Rollstühle durch zusätzliche Haltestangen oder eine direkte Sprechstelle zum Fahrpersonal optimiert. An der Fahrzeugaußenseite befindet sich direkt neben der (in Fahrtrichtung) ersten Tür eine auf Augenhöhe befindliche Anzeige, welche die Liniennummer anzeigt und so eine bessere Orientierung bietet.
Hürden und Grenzen
Selbstverständlich ist unser Ziel als Verkehrsunternehmen, dass möglichst viele Haltestellen möglichst barrierearm zugänglich sind. Der barrierefreien Gestaltung sind jedoch gewisse Grenzen gesetzt. Während bei einem völligen Neubau (relativ) frei geplant und gebaut werden kann, stößt das Bauen im Bestand, je nach Lage der Haltestelle, schnell auf Hürden. Die baulichen Gegebenheiten können in den meisten Fällen nicht einfach geändert werden. Beispielsweise sind Haltestellen in einer Kurve deutlich schlechter barrierefrei auszubauen als in der Geraden. Durch verschiedene Fahrzeugbreiten und Bauarten verhalten sich unterschiedliche Straßenbahnwagen bei Kurvenfahrten unterschiedlich und benötigen teilweise mehr Platz. Als Folge ist hier und da ein größerer Spalt zwischen Fahrzeug und Bahnsteigkante vorhanden. Dies ist den Gegebenheiten vor Ort und der Technik geschuldet, welche nur bedingt optimiert werden können. Ebenso sind einige wenige Haltestellen auf Brücken oder in einem Tunnel schwieriger bis gar nicht so ausbaubar, dass sie dem Anspruch an eine barrierefreie Haltestelle genügen könnten. Hier schließen die vorhandenen baulichen Zwänge einen Umbau aus. Auch ist ein Ausbau, vor allem bei Haltestellen mit komplexen baulichen Voraussetzungen, nicht von heute auf morgen möglich, sondern braucht mitunter viel Zeit und Geld.
In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Stadtbahn- und Bushaltestellen im rnv-Verkehrsgebiet barrierefrei ausgebaut, doch die Arbeit geht noch lange weiter. Derzeit wird die Haltestelle MA Rathaus/rem umgebaut, die Haltestellen der Ludwigshafener Stadtbahnlinie 10 sollen folgen. Step by step sollen mehr und mehr Haltestellen barrierefrei ausgebaut und ertüchtigt werden, um allen Menschen eine Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu ermöglichen.