René Weintz

am 25. November 2020

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Bambauer am Steuer eines Busses

Ja, warum hat er denn nichts gesagt?!

Er hat jahrelang mit uns gearbeitet und keiner hat etwas gemerkt. So oder so ähnlich kann man es vielerorts in Deutschland hören. Funktionale Analphabeten beweisen oft im Alltag viel Kraft und Kreativität. Sie entwickeln ausgeklügelte Strategien, damit die eigene Schwäche nicht auffällt und die ihnen dabei helfen unentdeckt zu bleiben. In Deutschland besuchen jährlich viele tausend Betroffene Schreib- und Lesekurse für Erwachsene. Aber das sind auch tausende Beispiele, die zeigen, dass es jeder schaffen kann. Robert möchte, dass viele seinem Beispiel folgen.

Mit 48 Jahren kann Robert etwas, was er zuvor nicht konnte

Was für die meisten Menschen selbstverständlich ist, ist für etwa 6.2 Mio. Menschen (Quelle: www.bmbf.de) in Deutschland ein Problem und Robert ist einer von ihnen. Er kann nicht schreiben.

Er sagt: „Meine Stärke ist, Schwächen in Stärken umzuwandeln. Meine Schwäche ist, dass ich nicht richtig schreiben kann.“

Robert wächst mit drei Geschwistern in Ludwigshafen auf, sein Vater arbeitet bei der Müllabfuhr und seine Mutter ist Hausfrau. Das Verhältnis ist schwierig und seine Eltern können ihn in Sachen Bildung nicht unterstützen, die Schule kann dies nicht auffangen. Im Alter von etwa zehn Jahren geben ihn seine Eltern in ein Heim für schwererziehbare und lernbehinderte Jugendliche. Familie, Bindung und jemand der ihm zeigt, was es braucht, um im Leben zu bestehen, fehlen ihm. Aber im Heim lernt er lesen und rechnen und er entdeckt auch seine Leidenschaft für die Eisenbahn.

Der Meilenstein

Die Zeit im Heim war ein wichtiger Meilenstein und Antrieb in seinem Leben, denn obwohl er nicht schreiben kann, schafft es Robert Bus- und Straßenbahnfahrer bei den Verkehrsbetrieben (damals VBL heute rnv) in Ludwigshafen zu werden. Für die Prüfung muss er nur lesen können und richtig ankreuzen. Er erfüllt sich seinen Kindheitstraum und kann sich bei seinem Beruf als Busfahrer gut mit seiner Schwäche verstecken, denn schreiben muss er als Busfahrer so gut wie nie. Mit den Jahren entwickelt Robert seine eigenen Taktiken, die ihm helfen, seine Schwäche zu verschleiern.

Der Wendepunkt

Nach etwa 21 Jahren als Busfahrer ändert sich sein Leben. Er wird zufällig an mehreren Tagen hintereinander bedroht und angegangen. Warum ihm das passiert ist weiß er nicht, aber es dauerte acht Wochen bevor er sich wieder unter Menschen traut. Seinen Beruf als Busfahrer kann er daraufhin nicht mehr ausüben.

Ein neuer Abschnitt

Der Traumberuf war dahin, aber zum Glück kann Robert als Hausmeister weiterbeschäftigt werden. Allerdings muss er sich auch im Betrieb outen. Sein Arbeitgeber, die rnv, zeigt viel Verständnis und hilft. Er schließt sich außerdem einer Selbsthilfegruppe, der SALuMa (Selbsthilfegruppe für Analphabeten Mannheim/Ludwigshafen), an. Hier wird er nicht nur aufgefangen, er kann über seine Schwäche sprechen und wird nicht verurteilt.

Der Traum

Der Selbsthilfegruppe verdankt er viel und er ist hoch motiviert sein neues Ziel zu erreichen. Robert träumt davon, seine eigene Biografie zu schreiben und geht jetzt selbstbewusster und offener mit seiner Schwäche um.

Robert ist Vorbild und hat jede Menge Mut bewiesen!

Infobox

Weitere Infos zum Thema findet ihr unter folgenden Links:

Kommentare

15. März 2021

Stefan Sailer

...Korrektur ;-) "Diese Leute müssen unterstützt werden!"


15. März 2021

Stefan Sailer

Respekt! Andere Betroffene sollten seinem Beispiel folgen. Dies Leute müssen unterstützt werden!


25. November 2020

Hans

Welch schöner Beitrag!


25. November 2020

Jutta

Ein sehr mutiger Mensch

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