Nicht vom alten Eisen
Nur weil ein Fahrzeug viele Jahrzehnte auf dem Buckel hat, bedeutet dies nicht, dass der Einsatz solcher Straßenbahnen unsinnig oder überflüssig wäre. Bestes Beispiel hierfür sind die drei sanierten Altfahrzeuge vom Typ ET6+EB6, welche seit Januar 2020 zunächst auf der Linie 8 und mittlerweile auf der Linie 6E unterwegs sind und den rheinüberschreitenden Verkehr verstärken. Durch die robuste Bauweise sowie den geringeren Anteil von Elektronik ließ sich damals, im Vergleich zu moderneren Neufahrzeugen, die Wiederinbetriebnahme schnell umsetzen.
Dies waren jedoch nicht die einzigen Fahrzeuge, welche aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt wurden und nun wieder in unserem Liniennetz unterwegs sind. Nachträglich wurde, ebenfalls für den Einsatz im Stadtgebiet Mannheim/Ludwigshafen, der Wagen 2156 reaktiviert. Er wurde im Jahr 2008, nach Einstellung der Stadtbahnlinie 12, zunächst ab- und nun wieder in Dienst gestellt. Das Fahrzeug vom Typ Gt8 wurde für die Verkehrsbetriebe Ludwigshafen (VBL) im Jahr 1971 gebaut und ist heute auf der Linie 6E unterwegs.
Große Beliebtheit
Seitdem die vier Altfahrzeuge wieder unterwegs sind, erfreuen sich diese großer Beliebtheit. Denn sie laden in eine kleine Zeitreise in längst vergangene Jahrzehnte ein, welche man sich besonders als Teenager oder junger Erwachsener gar nicht mehr vorstellen kann. Demnach finden sich auf Social Media allerlei Bilder und Videos über diese Kurbelfahrzeuge, auch verschiedene Zeitungen oder Fernsehsender hatten über die Wiederinbetriebnahme ausführlich berichtet. Und nicht zuletzt erfreuen sich auch unsere Fahrerinnen und Fahrer an den Altfahrzeugen. Unseren Kolleginnen und Kollegen, welche sich damals freiwillig für die Fahrschulkurse mit den Oldtimern melden konnten, macht das Fahren mit den Kurbelwagen sichtlich Spaß. Denn es ist selbstverständlich etwas vollkommen anderes als das Fahren der modernen Niederflurfahrzeuge.
Ein Urgestein kehrt zurück
In den vergangenen Jahren wurde ein weiterer Altwagen wieder aufbereitet. Es handelt sich hierbei um den Gt8 82, welcher 1966 als erstes Fahrzeug dieser Bauserie an die damalige Oberrheinische Eisenbahn-Gesellschaft (OEG) ausgeliefert wurde. Nachdem der Wagen knapp 50 Jahre auf den Gleisen der heutigen Linie 5 unterwegs war, wurde beschlossen, das Urgestein der OEG komplett aufzuarbeiten und für die Nachwelt zu erhalten - nachdem ein Großteil des aus 35 Fahrzeugen bestehenden Gt8-Wagenparks durch modernere Fahrzeuge des Typs Variobahn ersetzt wurden.
Die Sanierung der Stadtbahn war hierbei genauso aufwändig wie die Sanierung der Niederflurwagen. Der Unterboden wurde sandgestrahlt, Boden und Einstiege instandgesetzt sowie die Innenverkleidungen saniert. Dabei wurde darauf geachtet, das Fahrzeug so originalgetreu wie nur möglich wieder aufzuarbeiten. In Zukunft soll Wagen 82 als Fahrschulwagen, zu Sonderfahrten oder bei Bedarf sogar im Linienverkehr eingesetzt werden. Es wird daher sogar möglich sein, mit dem Urgestein der OEG auf der Linie 5 zu fahren.
Der Tatzelwurm
Man könnte meinen, dass wir als rnv nun genügend Altfahrzeuge betriebsfähig erhalten haben. Es wird jedoch noch ein Fahrzeug hinzukommen: der 1020. Damals als längste Straßenbahn der Welt von Duewag an die Rhein-Haardtbahn (RHB) geliefert, ist er heute der letzte seiner Art. Drei weitere, baugleiche Fahrzeuge, wurden mittlerweile verschrottet. Aufgrund ihrer Länge bekamen die Bahnen den Spitznamen „Tatzelwurm“. Die Wiederinbetriebnahme befindet sich derzeit in vollem Gange und ist alles andere als einfach. Denn die Beschaffung von Ersatzteilen für ein 1967 gebautes Fahrzeug gestaltet sich als sehr schwierig. Teils müssen die Bauteile extra angefertigt werden, was natürlich Kosten verursacht und Zeit kostet. Außerdem muss man bedenken, dass nach all den Jahrzehnten nicht alle Unterlagen über die Fahrzeuge vorhanden sind bzw. nur noch eine Handvoll Kollegen das Knowhow über die Altfahrzeuge und deren Technik besitzen.
Nichtsdestotrotz sitzen die Kolleginnen und Kollegen der Schwerpunktwerkstatt wieder regelmäßig an dem Fahrzeug und versuchen, dieses so originalgetreu wie nur möglich aufzubauen. Und man erkennt einen kontinuierlichen Fortschritt: So wurde das Fahrzeug komplett entkernt, vergleichbar mit der Wagenkastensanierung des 6MGT. Die komplette Verglasung, der Fußboden sowie alle elektrischen Leitungen wurden entfernt. Ziel ist es, neben einer Neulackierung in den alten Farben der Rhein-Haardtbahn, den kompletten Fußboden, die Innenverkleidung, die Sitzgestelle, der Dachaufbau sowie die elektrischen Leitungen zu erneuern. Außerdem wird jedes Anbauteil, sei es elektrisch oder mechanisch, überholt. Eine Herausforderung hierbei ist auch die Integration von modernen Sicherheitseinrichtungen. Diese waren in den 60er-Jahren nicht vorgesehen, heute sind sie jedoch durch Gesetze verpflichtend, weshalb sie eingebaut werden müssen. Trotzdem ist es selbstverständlich vorgesehen, den Wagen so originalgetreu wie möglich wiederherzustellen.