Ein Klassiker
Die Rhein-Haardtbahn ist nicht nur während des Wurstmarkts, dem laut Veranstalter größten Weinfest der Welt, ein wichtiges Verkehrsmittel. Über all die Jahrzehnte, in denen die RHB existiert, hat sie sich als eines der Rückräder der Mobilität in der schönen Pfalz etabliert. Denn nicht nur Bad Dürkheim profitiert von dem direkten Anschluss an die Ballungszentren zwischen Rhein und Neckar, sondern auch die vielen weiteren, kleineren Gemeinden entlang der Strecke.
Für die vielen Pendlerinnen und Pendler, welche tagtäglich zu den großen Firmen und Unternehmen in Mannheim, Ludwigshafen und Umgebung fahren, ist sie eine zuverlässige und sichere Alternative zum klassischen PKW und zeichnet sich ebenso durch Komfort, angenehme Reisezeiten und einen attraktiven Fahrplan aus.
Natürlich sind die Werktätigen nicht die einzige Zielgruppe. Im Freizeitverkehr ist die RHB, welche mittlerweile als Expresslinie 9 bzw. im Früh- und Spätverkehr als Linie 4 verkehrt, besonders bei Wanderern oder Ausflüglern beliebt. Bad Dürkheim bietet, neben der Naherholung durch die direkte Nähe zum Pfälzerwald, auch weitere Freizeitangebote wie die Saline, welche regelmäßig Städterinnen und Städter in den Kurort lockt.
Eisenbahn – nicht Straßenbahn
Wer in Mannheim in die Stadtbahnlinie 9 nach Bad Dürkheim einsteigt, merkt wie abwechslungsreich die Strecke ist. Den Innenstadttrubel mit Fußgängerzonen, Hauptbahnhöfen und Tunneln hinter sich gelassen, beginnt in Oggersheim die Stammstrecke der Rhein-Haardtbahn. Diese wird nach ESBO betrieben, der Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung für Schmalspurbahnen. Die RHB ist also offiziell und rechtlich eine Eisenbahn, auch wenn man es ihr auf den ersten Blick nicht ansieht. Denn die modernen Stadtbahnfahrzeuge, welche seit Jahren auf der Strecke eingesetzt werden, sehen nicht gerade nach S-Bahn oder ICE aus. Der offensichtlichste Unterschied, wenn man aus dem Stadtbahnnetz auf die Eisenbahnstrecke fährt, sind die Signale. Mehr dazu gibt es hier.
Die Strecke ist auch optisch interessant. Die Landschaft entlang der Rhein-Haardtbahn ist geprägt von viel Natur, wie beispielsweise den für die Pfalz charakteristischen Weinbergen. Einen dörflichen Charakter bietet Ellerstadt, welches als Besonderheit eingleisig durchfahren wird. Somit ergibt sich ein Kontrast zum „Großstadtfeeling“ in Mannheim und Ludwigshafen. Bad Dürkheim wird ebenfalls zum Großteil eingleisig durchfahren, vorbei an dem schönen Kurpark, der Saline oder auch dem historischen Betriebshof der Rhein-Haardtbahn. Dieser ist durch seine Architektur und seine Größe einmalig im Netz der rnv.
Ein bisschen Geschichte
Die Rhein-Haardtbahn blickt auf eine bewegte Geschichte mit Höhen und Tiefen zurück. Denn in den vergangenen knapp 110 Jahren ist natürlich viel passiert. Die Streckeneröffnung fand am 30. August 1913 statt, der Planbetrieb startete am 4. September des gleichen Jahres. Hiermit wurde der Wunsch seitens Bad Dürkheim erfüllt, endlich eine Direktverbindung nach Ludwigshafen und zur BASF zu bekommen. Die weiteren Gemeinden entlang der Strecke wie Friedelsheim, Gönnheim, Ellerstadt, Fußgönheim und Maxdorf hatten nun ebenfalls eine Anbindung, an die Kurstadt bzw. Ludwigshafen und Mannheim, die damals auch schon gut genutzt wurde. Im Betriebsjahr 1914, also 1 Jahr nach der Eröffnung, beförderte die RHB bereits 820.000 Fahrgäste zwischen Rhein und Haardt.
Die beiden Weltkriege waren schwierige Episoden in der Geschichte der Rhein-Haardtbahn. Die Zerstörung von Betriebsanlagen, wie Gleisen, Fahrleitung und dem Betriebshof, sowie die Zerstörung von Fahrzeugen traf die Rhein-Haardtbahn schwer. Auch die Weltwirtschaftskrise, die ihren Höhepunkt in den 1930er Jahren hatte, traf die RHB auch mit voller Wucht. Dennoch konnte mit finanzieller Unterstützung der Betrieb immer wieder aufgenommen werden, vergleichbare Eisenbahnstrecken in Deutschland wurden beispielsweise stillgelegt. Die RHB konnte diesem Schicksal entkommen, auch wenn es mehrmals zur Diskussion stand. Nach dem zweiten Weltkrieg zählte die Rhein-Haardtbahn im Jahr 1947 satte 4 Millionen Fahrgäste, es ging also wieder bergauf.
Bis ins Jahr 1975 hielt die Stadt Mannheim die größten Anteile an der Rhein-Haardtbahn. Im darauffolgenden Jahr wurden die Anteile an die Stadt Ludwigshafen übertragen, welche heute mit 54% über die Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) an der Rhein-Haardtbahn beteiligt ist. Die restlichen Prozente teilen sich die Städte Bad Dürkheim und die anderen Gemeinden entlang der Strecke sowie der Rhein-Pfalz-Kreis.
Über die Jahre wurde der Fahrzeugpark immer auf dem neusten Stand gehalten und fortlaufend durch Neubeschaffungen ergänzt und verjüngt. So kamen beispielsweise zwischen 1959 und 1963 die bekannten Hängerzüge vom Hersteller Duewag zur Rhein-Haardtbahn, die durch ihren Beiwagen sowie die geänderte, dem Überlandverkehr angepasste Türanordnung, ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland besaßen. Drei von diesen Fahrzeugen sind heute noch immer auf der Stadtbahnlinie 6E im Einsatz. 1967 kamen die bis dahin längsten Straßenbahnfahrzeuge der Welt zur Rhein-Haardtbahn: Die Zwölfachser, auch „Tatzelwurm“ genannt, hatten eine für die damalige Zeit außerordentliche Kapazität und waren aufgrund ihrer Größe ein Highlight. Ein Fahrzeug dieser Bauart wird derzeit aufwendig in der Schwerpunktwerkstatt der rnv saniert. Mehr dazu gibt es hier.
Anfang der 90er Jahre kam so langsam die Niederflurtechnik auf den Markt. Bis dato mussten beim Einsteigen mehrere Stufen überwunden werden, was besonders für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen ein Hindernis darstellte. Fahrgäste im Rollstuhl konnten beispielsweise gar nicht befördert werden. Dies änderte sich mit dem Niederflurboom in den 1990ern. Durch modernere Technik, eine andere Bauweise und neuartigen Fahrzeugkonzepten mit eingehängten Wagenteilen sowie neuartigen Fahrwerken konnte ein stufenloser Einstieg realisiert werden. Bei einem ebenfalls auf 30cm angehobenen Bordstein war es daher möglich, auch mit Rollstuhl ohne Hindernisse in die Fahrzeuge einsteigen zu können. 1994 erhielt die Rhein-Haardtbahn insgesamt fünf Niederflurwagen vom Typ 8MGT, welche teilweise auch durch die Verkehrsbetriebe Ludwigshafen (VBL) beschafft wurden. Parallel wurden Bahnsteige erhöht und die Haltestellen verlängert, damit die 43 Meter langen Stadtbahnen halten konnten. Mittlerweile kommen auch moderne Fahrzeuge vom Typ Rhein-Neckar-Variobahn auf der RHB zum Einsatz.
Zukunftsfähigkeit gesichert
An allem nagt der Zahn der Zeit – hiervon bleiben zum Beispiel die Infrastruktur wie Gleisanlagen, Fahrleitung, Stromversorgung, Bauwerke oder auch die Signaltechnik nicht verschont. Um auch weiterhin modern, zuverlässig und sicher die Fahrgäste zwischen Ludwigshafen und Bad Dürkheim befördern zu können, rief die rnv Ende der 2000er Jahre das Maßnahmenpaket „RHB2010“ ins Leben. Durch dieses Projekt, welches aus insgesamt drei Teilpaketen besteht, wurde die Zukunftsfähigkeit der Rhein-Haardtbahn gesichert und vieles auf den neusten Stand gebracht.
Im ersten Teilpaket, welches zwischen 2013 bis 2016 umgesetzt wurde, wurde das bestehende Relaisstellwerk durch ein zeitgemäßes, elektronisches Stellwerk (ESTW) ersetzt sowie Signale und Weichen angepasst. Das elektronische Stellwerk ist, im Vergleich zum alten Relaisstellwerk, betriebsstabiler, schneller und vor allem zuverlässiger. Seither ist es auch möglich, bei Baumaßnahmen vollsignalisiert, also sicherer, eingleisig den Betrieb abzuwickeln. Früher war dies nur durch umständliche Funkanweisungen möglich, was viel Zeit und Ressourcen gekostet hat. Außerdem wurden im ersten Teilpaket die sogenannten Gleichrichterunterwerke ertüchtigt, um die Stromversorgung zu sichern und zu stabilisieren. Hierdurch war es möglich, auf der Strecke der RHB einen 20-Minuten-Takt zu realisieren. Ebenfalls wurden die Bahnsteige auf eine Länge von 60 Metern barrierefrei ausgebaut. Von 2015 bis 2020 erneuerte und ertüchtigte die rnv im zweiten Teilpaket abschnittsweise die bestehenden Gleisanlagen sowie den Schotter-Oberbau, verstärkte die Fahrleitung und modernisierte die Fahrleitungsmaste. Im dritten Teilpaket, welches sich der Fertigstellung entgegen neigt, werden bestehende Bahnübergänge technisch durch Lichtzeichen und Schranken gesichert und andere Bahnübergänge geschlossen. Diese Maßnahme ist Voraussetzung, um die Streckenhöchstgeschwindigkeit von derzeit 70km/h auf 80km/h zu erhöhen. Dadurch verkürzen sich die Reisezeiten. Die Umsetzung des dritten Teilpakets soll in diesem Jahr abgeschlossen werden.
Das Ziel des Projekts „RHB2010“ ist, die Rhein-Haardtbahn durch aktuelle Sicherheitstechnik und moderne Standards, wie beispielsweise Fahrscheinautomaten mit integriertem Abfahrtsmonitor oder Leitstreifen für Seheingeschränkte im Haltestellenbereich, zukunftsfähig zu machen. Außerdem ist die Erhöhung des Reisekomforts sowie der Streckenhöchstgeschwindigkeit ein weiterer Pluspunkt. Ebenfalls wurden zwischen 2021 und 2022 Brücken der Rhein-Haardtbahn instandgesetzt.