Stadtbahnen mit niederflurigem Einstieg gehören bei der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv) seit fast drei Jahrzehnten zum Standard. Keine Frage, dass wir bei der Rhein-Neckar Tram (RNT) noch einen drauf setzen wollten in Sachen Barrierefreiheit. Damit möglichst alle Menschen in der Region mit gutem Gefühl an ihr Ziel kommen. Wie ihr die RNT barrierefrei nutzt, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
„Dieser schräge Boden! Also, wer sich das ausgedacht hat…“, murrt ein Herr an einem Dienstagabend in der Rhein-Neckar-Tram auf dem Weg aus der Innenstadt in den Lindenhof. Er ist mit seinen Senioren-Freundinnen und -Freunden und mit seinem Rollator an einer der mittleren Türen eingestiegen. Jetzt haben sie nicht nur mit dem Boden zu kämpfen, der hier von der Mitte schräg nach außen abfällt, sondern auch damit, auf einen Sitzplatz zu gelangen. Sie ärgern sich lautstark und hätten sich die Fahrt doch viel leichter machen können.
Dazu müssten sie natürlich wissen, wie Barrierefreiheit in Stadt- und Straßenbahnen grundsätzlich gedacht ist. Denn auf diesem Standard baut auch die Barrierefreiheit in der RNT auf: Multifunktionsflächen für Rollstühle, Rollatoren und andere Hilfsmittel, sowie für Kinderwagen und Fahrräder, Haltestangen, Haltewunsch-Taster mit unterschiedlichen Funktionen wie längerer Türöffnung und dem Wunsch für Rollstuhlfahrende, die Rampe auszuklappen. Außerdem wurden akustische Signale, Türlichter, Beschriftungen und die Farbgebung von Haltestangen in Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Interessengruppen beeinträchtigter Menschen im Vorfeld gestaltet. Aber der Reihe nach.

Menschen mit Rollatoren, Rollstühlen, Beeinträchtigungen nach vorne
Wer eine Beeinträchtigung hat, steigt in jeder Straßenbahn am besten an der ersten Tür ein. Ob man nun mit Rollator, im Rollstuhl oder auch nur mit einem Gipsbein unterwegs ist oder schlecht bis gar nicht sieht. Grundsätzlich hat das den Vorteil, dass die Fahrerin oder der Fahrer die Fahrgäste im vorderen Wagenteil besonders gut im Blick hat.
Dass sie diesen Platz schnell finden, dafür ist hinter der ersten Tür der RNT gesorgt. So gibt es in den Multifunktionsbereichen vier ebenerdig zugängliche Sitze und davor Platz für einen mitgeführten Rollator oder andere Hilfsmittel. Wer mit einem Rollstuhl unterwegs ist, findet hier zwei dafür speziell ausgestattete Plätze. Einer davon ist sogar für die schweren Elektrorollstühle geeignet.
Auch zum Rangieren bietet der große Raum ausreichend Platz. Dafür wurden die gegenüberliegenden Türen in diesem Bereich jeweils seitlich versetzt und auf eine zentrale Haltestange von der Decke bis zum Boden verzichtet. Möglichkeiten zum Festhalten gibt es aber auch hier ausreichend: Entweder an den Stangen und Halteschlaufen, die von der Decke kommen oder an den Türen und an der Rampe.
In diesem Bereich sind außerdem zwei spezielle Taster angebracht: Der blau umrahmte Haltewunsch-Taster signalisiert der Fahrerin oder dem Fahrer, dass hier mehr Zeit für den Ausstieg notwendig ist und der Taster mit dem Piktogramm einer Rollstuhl fahrenden Person auf einer Rampe signalisiert den Wunsch, dass die Rampe ausgefahren wird.

Kinderwagen und Fahrräder nach hinten – alle anderen in die Mitte
Im hinteren Bereich der RNT gibt es all das noch einmal, allerdings spiegelverkehrt. Daher werden diese Multifunktionsbereiche vor allem für Fahrgäste empfohlen, die mit einem Kinderwagen oder einem Fahrrad unterwegs sind.
Wer keine Einschränkungen hat, nimmt am besten die Türen in der Mitte und sucht sich zügig einen der vielen Sitzplätze. Für den bequemen und schnellen Ein- und Ausstieg verfügt die RNT an den extra breiten Türen über eine Reihe optischer und akustischer Signale. So wurde eine Anzeige in Augenhöhe von Rollstuhlfahrenden angebracht, damit auch diese Menschen einfach sehen können, auf welcher Linie die Stadtbahn fährt.
An den Türen sind zudem lange LED-Streifen angebracht, die in unterschiedlichen Farben leuchten und blinken können: Blinken sie grün, gehen die Türen auf. Blinken sie rot, gehen sie wieder zu. Leuchten sie rot, gibt es eine Türstörung oder die Tür ist blockiert. Sobald sich die Türen öffnen oder schließen, ertönt zudem ein Piepsen. Dieses ist vor allem für Menschen wichtig, die im Sehen eingeschränkt sind. Für die Sicherheit dieser Fahrgäste wurden außerdem Haltestangen und -griffe in möglichst kontrastreichen Farben gewählt.

Barrierefreiheit braucht umsichtige Mitfahrende
Die letzte Barriere bleibt der Mensch. Ob Multifunktionsbereiche, ebenerdig zugängliche Sitzplätze oder breite Türen: All das hilft nicht, wenn ein Rollstuhlplatz von Mitfahrenden blockiert wird oder wenn Fahrgäste Plätze nicht freigeben, obwohl eine Person aufgrund einer Einschränkung sie notwendiger hat. Deshalb seien Sie umsichtig, wenn Sie im ÖPNV unterwegs sind. Sie sind nicht allein. Sie sind nicht zuhause. Jeder Einzelne trägt Verantwortung für seine Mitmenschen. Manchmal genügt eine kleine Aufforderung. Bleiben Sie freundlich.
Fast alle Menschen mit einer Beeinträchtigung haben diese im Laufe ihres Lebens erworben, 97 Prozent. Nur 3 Prozent der Menschen mit einer Behinderung haben diese von Geburt an. Wer sich heute also noch bester Gesundheit erfreut, hat keine Garantie dafür, dass es so bleibt – sei es dauerhaft oder auch nur mit einem Gipsbein. In jedem Fall ist es nicht unwahrscheinlich, dass man selbst eines Tages von all dem profitiert – von barrierefreien Einrichtungen und von umsichtigen Mitmenschen.