Lydia Dartsch

am 19. Februar 2025

Die Sprachausgabe wird von Ihrem Browser nicht unterstützt.

Stadtbahnen mit niederflurigem Einstieg gehören bei der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv) seit fast drei Jahrzehnten zum Standard. Keine Frage, dass wir bei der Rhein-Neckar Tram (RNT) noch einen drauf setzen wollten in Sachen Barrierefreiheit. Damit möglichst alle Menschen in der Region mit gutem Gefühl an ihr Ziel kommen. Wie ihr die RNT barrierefrei nutzt, erfahrt ihr in diesem Beitrag. 

„Dieser schräge Boden! Also, wer sich das ausgedacht hat…“, murrt ein Herr an einem Dienstagabend in der Rhein-Neckar-Tram auf dem Weg aus der Innenstadt in den Lindenhof. Er ist mit seinen Senioren-Freundinnen und -Freunden und mit seinem Rollator an einer der mittleren Türen eingestiegen. Jetzt haben sie nicht nur mit dem Boden zu kämpfen, der hier von der Mitte schräg nach außen abfällt, sondern auch damit, auf einen Sitzplatz zu gelangen. Sie ärgern sich lautstark und hätten sich die Fahrt doch viel leichter machen können. 

Dazu müssten sie natürlich wissen, wie Barrierefreiheit in Stadt- und Straßenbahnen grundsätzlich gedacht ist. Denn auf diesem Standard baut auch die Barrierefreiheit in der RNT auf: Multifunktionsflächen für Rollstühle, Rollatoren und andere Hilfsmittel, sowie für Kinderwagen und Fahrräder, Haltestangen, Haltewunsch-Taster mit unterschiedlichen Funktionen wie längerer Türöffnung und dem Wunsch für Rollstuhlfahrende, die Rampe auszuklappen. Außerdem wurden akustische Signale, Türlichter, Beschriftungen und die Farbgebung von Haltestangen in Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Interessengruppen beeinträchtigter Menschen im Vorfeld gestaltet. Aber der Reihe nach.

Multifunktionsflächen in der Rhein-Neckar-Tram zum sicheren Abstellen von Rollstühlen und Rollatoren vorne und für Kinderwagen und Fahrräder hinten.
© rnv GmbH / Haubner

Menschen mit Rollatoren, Rollstühlen, Beeinträchtigungen nach vorne

Wer eine Beeinträchtigung hat, steigt in jeder Straßenbahn am besten an der ersten Tür ein. Ob man nun mit Rollator, im Rollstuhl oder auch nur mit einem Gipsbein unterwegs ist oder schlecht bis gar nicht sieht. Grundsätzlich hat das den Vorteil, dass die Fahrerin oder der Fahrer die Fahrgäste im vorderen Wagenteil besonders gut im Blick hat. 

Dass sie diesen Platz schnell finden, dafür ist hinter der ersten Tür der RNT gesorgt. So gibt es in den Multifunktionsbereichen vier ebenerdig zugängliche Sitze und davor Platz für einen mitgeführten Rollator oder andere Hilfsmittel. Wer mit einem Rollstuhl unterwegs ist, findet hier zwei dafür speziell ausgestattete Plätze. Einer davon ist sogar für die schweren Elektrorollstühle geeignet. 

Auch zum Rangieren bietet der große Raum ausreichend Platz. Dafür wurden die gegenüberliegenden Türen in diesem Bereich jeweils seitlich versetzt und auf eine zentrale Haltestange von der Decke bis zum Boden verzichtet. Möglichkeiten zum Festhalten gibt es aber auch hier ausreichend: Entweder an den Stangen und Halteschlaufen, die von der Decke kommen oder an den Türen und an der Rampe. 

In diesem Bereich sind außerdem zwei spezielle Taster angebracht: Der blau umrahmte Haltewunsch-Taster signalisiert der Fahrerin oder dem Fahrer, dass hier mehr Zeit für den Ausstieg notwendig ist und der Taster mit dem Piktogramm einer Rollstuhl fahrenden Person auf einer Rampe signalisiert den Wunsch, dass die Rampe ausgefahren wird. 

Ein Mann mit einem Kinderwagen und eine Frau mit einem Fahrrad steigen in eine Stadtbahn der rnv vom Typ Rhein-Neckar-Tram (RNT) ein.
© rnv GmbH / Haubner

Kinderwagen und Fahrräder nach hinten – alle anderen in die Mitte 

Im hinteren Bereich der RNT gibt es all das noch einmal, allerdings spiegelverkehrt. Daher werden diese Multifunktionsbereiche vor allem für Fahrgäste empfohlen, die mit einem Kinderwagen oder einem Fahrrad unterwegs sind. 

Wer keine Einschränkungen hat, nimmt am besten die Türen in der Mitte und sucht sich zügig einen der vielen Sitzplätze. Für den bequemen und schnellen Ein- und Ausstieg verfügt die RNT an den extra breiten Türen über eine Reihe optischer und akustischer Signale. So wurde eine Anzeige in Augenhöhe von Rollstuhlfahrenden angebracht, damit auch diese Menschen einfach sehen können, auf welcher Linie die Stadtbahn fährt. 

An den Türen sind zudem lange LED-Streifen angebracht, die in unterschiedlichen Farben leuchten und blinken können: Blinken sie grün, gehen die Türen auf. Blinken sie rot, gehen sie wieder zu. Leuchten sie rot, gibt es eine Türstörung oder die Tür ist blockiert. Sobald sich die Türen öffnen oder schließen, ertönt zudem ein Piepsen. Dieses ist vor allem für Menschen wichtig, die im Sehen eingeschränkt sind. Für die Sicherheit dieser Fahrgäste wurden außerdem Haltestangen und -griffe in möglichst kontrastreichen Farben gewählt. 

Eine Rhein-Neckar-Tram steht an der Haltestelle SAP-Arena. Eine Frau mit Rollator, eine Frau im Rollstuhl, eine Frau mit Fahrrad und ein Mann mit Kinderwagen steigen ein.
Barrierefreier Einstieg in die Rhein-Neckar-Tram (RNT): Mit Rollstuhl und Rollator in die vorderste Tür - mit Kinderwagen und Fahrrädern in die hinterste Tür.
© rnv GmbH / Haubner

Barrierefreiheit braucht umsichtige Mitfahrende 

Die letzte Barriere bleibt der Mensch. Ob Multifunktionsbereiche, ebenerdig zugängliche Sitzplätze oder breite Türen: All das hilft nicht, wenn ein Rollstuhlplatz von Mitfahrenden blockiert wird oder wenn Fahrgäste Plätze nicht freigeben, obwohl eine Person aufgrund einer Einschränkung sie notwendiger hat. Deshalb seien Sie umsichtig, wenn Sie im ÖPNV unterwegs sind. Sie sind nicht allein. Sie sind nicht zuhause. Jeder Einzelne trägt Verantwortung für seine Mitmenschen. Manchmal genügt eine kleine Aufforderung. Bleiben Sie freundlich.

Fast alle Menschen mit einer Beeinträchtigung haben diese im Laufe ihres Lebens erworben, 97 Prozent. Nur 3 Prozent der Menschen mit einer Behinderung haben diese von Geburt an. Wer sich heute also noch bester Gesundheit erfreut, hat keine Garantie dafür, dass es so bleibt – sei es dauerhaft oder auch nur mit einem Gipsbein. In jedem Fall ist es nicht unwahrscheinlich, dass man selbst eines Tages von all dem profitiert – von barrierefreien Einrichtungen und von umsichtigen Mitmenschen.

Kommentare

03. März 2025

sk

Im Hinblick auf Behindertenfreundlichkeit hilft es, einmal die alten Bahnen mit den neuen zu vergleichen. In den alten Bahnen sind fast alle Sitze ebenerdig erreichbar. Es gibt ebenerdige Sitze direkt neben den Türen und gegenüber den Türen, d.h. wer nicht so gut zu Fuß ist, hat nach wenigen Schritten einen Sitz. Sollten diese Plätze belegt sein, so ist das kein Problem, nur einen Schritt weiter gibt es mehr ebenerdig erreichbare Sitze. Und für alles, was mehr Platz braucht, können Sitze hochgeklappt werden.

In den neuen Bahnen sind die meisten Sitze nur über Stufen erreichbar, die wenigen ebenerdigen Sitze sind in die hintersten Ecken verlegt worden und damit nur schwer erreichbar, die Sitze gegenüber den Türen sind verschwunden. Für Gehbehinderte sind die neuen Bahnen kein Fortschritt, im Gegenteil.

Als Betroffene würde ich mir wünschen, dass die RNV die Probleme offen benennt und auf Lösungen hinarbeitet, statt immer wieder neu erklären zu wollen, wie behindertenfreundlich die neuen Bahnen doch sind. Ich fürchte, die einzigen, die das wirklich beurteilen können, sind die Betroffenen selbst.


27. Februar 2025

Jochen Siegmann

Ich habe wegen einer Schwerhörigkeit auch Probleme mit dem Gleichgewicht beim Radfahren und benutze deshalb ein Dreirad, das eine Länge von 2 Metern und eine Breite von 0,80 Metern hat. Leider passt es nicht auf den einen Stellplatz im Niederflurbereich der RNT, da der Abstand von der Klapprampe zu den Sitzen etwa 20 cm zu kurz ist. Hätte man da nicht Klappsitze einbauen können? Würde gerne auch mein Rad mit in die Bahn nehmen, so wie es Andere auch machen. Hieran wurde bei der Planung leider nicht gedacht. Vielleicht ließe sich das noch ändern.


27. Februar 2025

sk

Das Problem bei der Rhein-Neckar-Tram ist, dass die ebenerdig zugänglichen Sitze viel zu weit von den Türen entfernt sind. Um dort hinzukommen, muss man erst den geräumigen Platz für Rollstühle überqueren, und das ohne wirkliche Haltemöglichkeit. Fährt die Bahn direkt nach dem Einsteigen schon wieder an, hat ein Gehbehinderter kaum eine Chance, einen dieser Plätze zu erreichen. Wenn die Bahn so voll ist, dass Fahrgäste auf dem Stellplatz für Rollstühle stehen, kann man von der Tür aus nicht sehen, ob die ebenerdigen Plätze frei sind oder dort schon jemand sitzt, der den Platz benötigt. Umgekehrt können die Fahrgäste, die bereit wären, den Platz zu räumen, auch nicht sehen, ob jemand einsteigt, der den Platz braucht. Die ebenerdig erreichbaren Sitze müssten gut erreichbar direkt neben der Tür sein, nicht irgendwo hinter dem Rollstuhlstellplatz. Dass auch Plätze als Behindertenplätze ausgewiesen sind, die nur über eine Stufe erreichbar sind, kann man schon nicht mehr gedankenlos nennen, das ist eher zynisch.

Kommentar schreiben

Hinweis zur Kommentarveröffentlichung

Bitte beachten Sie unsere Netiquette. Wenn Sie Ihren Kommentar abgesendet haben, erhalten Sie eine E-Mail mit einem Bestätigungs-Link. Erst nach Klick auf diesen Link wird Ihr Kommentar veröffentlicht. Sollten wir darauf antworten, werden Sie per E-Mail darüber benachrichtigt.

Einen anregenden Austausch wünscht
das rnv-Blog-Team.

* Pflichtfeld