Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung von Alexander Graf (Abteilungsleiter Kundeninformation im Bereich Kommunikation und Marketing).
Herausforderungen an das (künftige) Verkehrsnetz
Bereits vor Jahrzehnten war man sich der großen Bedeutung eines gut ausgebauten Verkehrsnetzes, besonders im Kernbereich Mannheim/Ludwigshafen, bewusst. Denn: Leistungsstarke Pendlerrouten, rheinüberschreitende Korridore und nahtlose Verbindungen ins überregionale Straßennetz sind nicht nur für die Einwohnerinnen und Einwohner von großem Vorteil. Die Wirtschaft in der Metropolregion, insbesondere die großen Industriebetriebe, profitieren ebenso. Damals hatte man sich, trotz des Ideals einer autogerechten Stadt, nicht nur auf den Individualverkehr fokussiert. Parallel zu den Großprojekten rund um die beiden Hochstraßen in Ludwigshafen wurde auch im Bereich des schienengebundenen Fern- und Nahverkehrs einiges geplant und entworfen.
Mit dem Abriss des alten Ludwigshafener Hauptbahnhofes an der Stelle des heutigen Rathaus-Centers wurden die Weichen für ein damals hochmodernes und leistungsstarkes Drehkreuz für den Eisenbahnverkehr gestellt. Gleichzeitig wurde die Verlegung des Hauptbahnhofes zum Anlass genommen, die Straßenbahnführung im Innenstadtbereich an die sich verlagerten Fahrgastströme anzupassen. So wurden über Jahre viele verschiedene Gutachten erstellt und untersucht, wie das Straßenbahnnetz der Zukunft aussehen könnte.
Dem damaligen Zeitgeist geschuldet, wurden die verschiedenen Verkehrsmittel kreuzungsfrei errichtet, bedeutet, dass man auf verschiedenen Ebenen die unterschiedlichen Verkehre trennte. Während der überregionale Straßenverkehr über die Hochstraßen geleitet wurde, verschwand die Straßenbahn, zumindest abschnittsweise, im Tunnel.
Unterschiedliche Ansätze und Planungen
Wie bei vielen Großprojekten wurde auch die Planung zum Aus- und Umbau des ÖPNV innerhalb Ludwigshafens mehrfach abgeändert und modernisiert. Grundsätzlich kann man die ganze Planungshistorie in zwei grobe Stadien unterscheiden: die U-Straßenbahn und darauf folgend die U-Stadtbahn als „echte“ Schnellbahn. Während in der Zeit der U-Straßenbahn-Planungen die Tunnelprojekte weitgehend auf die Innenstädte von Ludwigshafen und Mannheim begrenzt blieben, wurde in der „U-Bahn-Ära“ ein weitaus größerer Bereich beplant, gemeinsam mit Mannheim und auch unter Einbeziehung der Eisenbahnstrecken der Rhein-Haardtbahn (RHB) sowie der Oberrheinischen Eisenbahn-Gesellschaft (OEG).
Baulich und technisch unterscheiden sich die beiden Varianten gravierend voneinander. Während es bei der U-Straßenbahn-Planung möglich war, die bestehende Infrastruktur auf den Außenästen weiter zu nutzen, hätte die U-Bahn-Planung dies größtenteils ausgeschlossen. Die U-Straßenbahnidee hätte die bestehende Straßenbahn im Wesentlichen „in den Untergrund verlegt“. Dort wären weiterhin höhengleiche Abzweige, relativ enge Kurvenradien und niedrige, straßenbahntaugliche Bahnsteige vorgesehen gewesen. Ganz anders die U-Stadtbahn, dort wäre ein (fast) komplett neues Netz entstanden, das nur auf die verkehrlichen Hauptachsen ausgerichtet war. Zu Zeiten der U-Straßenbahn wurde mit bestehenden Fahrzeugen geplant, bei der U-Bahn wären extra neue Stadtbahnwagen angeschafft worden. Diese hätten sich an den U2-Wagen in Frankfurt orientiert, nur mit geringerer Fahrzeugbreite. Dies hätte auch veränderte Bahnsteighöhen und -längen bedeutet, wie heute teilweise noch in der U-Haltestelle LU Rathaus erkennbar ist.
Die erste Konzeption sah vor, die bestehenden Straßenbahnstrecken aus den unterschiedlichen Ludwigshafener Stadtteilen im Innenstadtbereich teils unterirdisch zu führen. Es hätten große Knotenpunkte im Bereich des neuen Hauptbahnhofes und der damals im Bau befindlichen Nordbrücke (Kurt-Schumacher-Brücke) entstehen sollen. Solche Knotenpunkte ermöglichen einen flexibleren Betrieb, da man aus allen Richtungen in alle Richtungen hätte fahren können. Schlussendlich wurden diese Planungen, bis auf den reduzierten Bau des Tunnels am neuen Hauptbahnhof, nicht umgesetzt.
U-Bahn ist im Trend
In den 60er und 70er-Jahren war die U-Bahn beziehungsweise die U-Stadtbahn das Nonplusultra. Deutschlandweit wurden neue U-Bahn-Netze eröffnet, um der steigenden Verkehrsbelastung innerhalb großer Ballungszentren entgegenzuwirken. Denn eine Großstadt, welche etwas auf sich hielt, baute eine U-Bahn. Die ungewöhnlich hohe Förderquote (bis zu 90% der Kosten wurden durch den Bund getragen), trugen dazu bei, dass sich viele Städte eine moderne U-Bahn spendieren ließen. Dieser Trend ging natürlich auch an Mannheim oder Ludwigshafen nicht vorbei. Und so wurde, unterstützt durch verschiedene Verkehrsgutachten, aus den U-Straßenbahn-Planungen eine U-Bahn-Planung.
Linienwirrwarr
Insgesamt wurden fünf U-Stadtbahnlinien geplant, welche abweichend von den Linienbezeichnungen bei der Straßenbahn Buchstaben als Liniennummer hätten bekommen sollen. Die Linie A hätte, unter Einbeziehung der beiden Eisenbahnstrecken der RHB und OEG, von Bad Dürkheim kommend über Oggersheim, LU Hauptbahnhof, Hauptpost, Paradeplatz, Wasserturm und Luisenpark weiter nach Seckenheim, Edingen und Heidelberg geführt. Rückblickend kann man die Linie A daher als Durchmesserlinie betrachten. Dies bedeutet, dass sie in Ost-West-Richtung eine große Erschließungsfunktion gehabt hätte. Die U-Bahnlinie B wäre die einzige Linie gewesen, welche nur in Mannheim verkehrt wäre. Sie wäre von Sandhofen kommend über Schönau, Waldhof, Alte Feuerwache, Paradeplatz, Schloss, MA Hauptbahnhof und Neckarau nach Rheinau gefahren. Also aus heutiger Sicht eine gewisse Kombination der Linien 1 und 3. Die Linie C wäre eine reine linksrheinische Linie mit Streckenführung von der Pfingstweide über Edigheim, Oppau, BASF, Hauptpost, LU Hauptbahnhof, Mundenheim und Rheingönheim nach Neuhofen gewesen. Die U-Bahnlinie D wäre von Mutterstadt über Maudach, Marienkrankenhaus, Mundenheim, LU Süd, Berliner Platz, Hauptpost, Paradeplatz, Wasserturm und Feudenheim nach Wallstadt gefahren. Die letzte Linie mit der Bezeichnung E wäre ebenfalls von der Pfingstweide über Edigheim, BASF, Hauptpost, Berliner Platz, durch den neuen Rheintunnel zum Mannheimer Hauptbahnhof und weiter über Wohlgelegen, Käfertal, Vogelstang und Viernheim nach Weinheim gefahren.
Drehkreuze des U-Bahn-Netzes wären auf Ludwigshafener Seite die Haltestellen Hauptpost (heute Rathaus) und Amtsstraße (unter der Bismarckstraße) gewesen. An der heutigen Haltestelle Rathaus erkennt man die baulichen Vorbereitungen für den Weiterbau des Tunnels Richtung Süden sowie die beiden ungenutzten Außengleise, welche von bzw. zur Amtsstraße / Berliner Platz geführt hätten.
Eins nach dem anderen
Rom wurde nicht an einem Tag erbaut – dieses Sprichwort gilt auch im Falle des Baus der U-Bahn im Stadtgebiet von Mannheim und Ludwigshafen. Es wurden verschiedene Baustufen und Ausbautrecken mit dem Hintergrund entwickelt, den parallel weiterlaufende Straßenbahnverkehr so gering wie möglich zu behindern. Die als Grundnetz bezeichnete erste Baustufe sah den Bau eines oberirdischen Abschnitts zwischen der heutigen BG Unfallklinik in Oggersheim und der Frankentaler Straße sowie zwischen der Hemshofstraße und dem Hauptbahnhof mit Bau der doppelstöckigen Haltestelle Hauptpost (heute LU Rathaus) vor. Beide Strecken wurden tatsächlich gebaut. Der Tunnelabschnitt zwischen Hauptpost und Hauptbahnhof wurde als sogenannte C-Ebene in Betrieb genommen und bis Dezember 2008 von der Stadtbahnlinie 12 bedient. Seither ist dieser Abschnitt stillgelegt. Das Teilstück zwischen BG Unfallklinik und Frankentaler Straße ist bis heute in Betrieb und wird von den Stadtbahnlinien 4 und 9 Express genutzt.
In der ersten Baustufe hätten bis 1979 die Abschnitte zwischen Lindenhofplatz und Rheingoldstraße in Neckarau sowie auf Ludwigshafener Seite die Teilstrecken zwischen Brunckstraße und Pfingstweide und zwischen Hauptpost und Amtsstraße/Berliner Platz gebaut werden sollen. Baustufe 2 hätte den Bau vom Mannheimer Schloss bis Luzenberg sowie zwischen Hemshofstraße und Brunckstraße vorgesehen. Weiter hätten in Baustufe 3 die Abschnitte zwischen Nordbrücke (Kurt-Schumacher-Brücke) und Maimarktgelände sowie zwischen LU Hauptbahnhof und Hauptfriedhof bzw. zwischen Oggersheim (Endstelle) und BG Unfallklinik gebaut werden sollen. Baustufe 4 sah die bauliche Fertigstellung der rechtsrheinischen Streckenteile zwischen der Rheingoldstraße und dem Rheinauer Karlsplatz sowie zwischen Wasserturm und Aubuckel vor. Linksrheinisch hätten die Strecken zwischen Berliner Platz und Richard-Dehmel-Straße (Höhe Südwest-Stadion) sowie zwischen Schänzeldamm und der damaligen Endstelle in Mundenheim entstehen sollen. Baustufe 5 sah den Bau zwischen Mannheim Hauptbahnhof und Vogelstang sowie zwischen Richard-Dehmel-Straße und Schänzeldamm bzw. zwischen Rheingönheim und Neuhofen vor. Die sechste und letzte Baustufe hätte in Mannheim den Bau zwischen Schloss und Lindenhofplatz bzw. zwischen Luzenberg und Gartenstadt und den Bau des Rheintunnels vorgesehen.
Zugegeben lesen sich die einzelnen Baustufen relativ durcheinander und wahllos, jedoch hatte der schrittweise Bau gewisser Teilabschnitte den Vorteil, bestehende Verkehre nicht zu sehr zu beeinträchtigen und einen funktionierenden Nahverkehr auch während des U-Bahn-Baus sicherzustellen. Auch hätten nicht alle Abschnitte komplett im Tunnel verlaufen sollen. Einzelne oberirdische, im Vergleich zur Straßenbahn ausgebaute und ertüchtigte Abschnitte hätte es auch gegeben. Und da diese teils den bestehenden Straßenbahnstrecken gefolgt wären, mussten diese Zwischenschritte in Kauf genommen werden.
Zahlen & Zukunft
Der U-Bahn-Bau wäre ein komplexer, logistisch aufwändiger und langwieriger Prozess gewesen. Insgesamt hätte Mannheim ein U-Bahn-Netz von 30,25km Länge bekommen, Ludwigshafen eines mit 29,75km. Die U-Bahn-Linien hätten im Vergleich zur heutigen Stadtbahn zwar mehr Stadtteile weitläufiger verbunden, was im Hinblick auf den reinen U-Bahn-Verkehr eine größere Zeitersparnis bedeutet hätte, jedoch wäre die Feinerschließung innerhalb der Stadtteile schlechter als heute. Eine Vielzahl von Bussen hätten als Zubringer zur U-Bahn die einzelnen Gebiete erschließen müssen. Beispielsweise hätte Friesenheim gar keinen Anschluss ans Schienennetz mehr bekommen. Die dortigen Anwohnerinnen und Anwohner hätten nur auf die Option Bus zurückgreifen können. Die Gesamtkosten hätten sich in Mannheim nach zeitgenössischer Schätzung auf knapp 720 Millionen Mark (ca. 370 Millionen Euro) belaufen, in Ludwigshafen auf 500 Millionen Mark (ca. 255 Millionen Euro). Der gesamte U-Bahn-Bau hätte bis 1999 abgeschlossen sein sollen. Hierzu kam es allerdings aus verschiedenen Gründen, beispielsweise der Finanzierung oder politischen Kurswechseln, nie.
Stattdessen wurde weiterhin auf die Straßenbahn gesetzt, welche im Bestand in den vergangenen Jahrzehnten zur Stadtbahn ausgebaut und verbessert wurde. Es wurden mehrere neue Stadtbahnstrecken gebaut, sei es in Neuostheim oder in der Mannheimer Gartenstadt. Und dies soll es natürlich nicht gewesen sein. In Ludwigshafen wird derzeit das Umlandnetz untersucht. Dies umfasst den Neubau von Stadtbahnstrecken zwischen Oppau und Pfingstweide über Edigheim, Rheingönheim und Neuhofen sowie Mundenheim, Gartenstadt, Maudach und Mutterstadt. Bei Neubaustrecken muss, um Fördergelder des Bundes in Anspruch zu nehmen, ein gewisser Kosten-Nutzen-Faktor erfüllt werden. Dieser soll den volkswirtschaftlichen Nutzen ermitteln, also ob sich eine neue Strecke lohnt und rechnet. Der ÖPNV in der Metropolregion wird also stets weiterentwickelt – nur nicht, wie damals mit einer U-Bahn, sondern mit unserer bewährten Stadtbahn.