Von Mannheim nach Helsinki und zurück
Es fährt aktuell ein faszinierendes Straßenbahn-Phänomen durch Mannheim: eine Bahn, die mit mehr als 200 Pflanzen bestückt ist und im Innern einem Dschungel gleicht. Noch bis Sonntag, 18. Juni 2023, zieht die Grüne Bahn ihre Kreise durch die Mannheimer Innenstadt und kann von Innen bestaunt werden. Der Hintergrund der Grünen Bahn ist nicht etwa ein Großeinkauf mit Mengenrabatt im Gartenbaumarkt, sondern ein Projekt, das zeigen soll, dass der öffentliche Personenverkehr praktizierter Klima-, Natur-, Ressourcen- und Lärmschutz ist. Die Grüne Bahn ist eine von vielen Aktionen, die im Rahmen der BUGA 23 auf die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung aufmerksam machen sollen. Dieses grüne Wunder ist Teil des Projekts #17Ziele von Engagement Global und wird von der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv) und der Bundesgartenschau Mannheim (BUGA 23) unterstützt.
Was die meisten Passagiere der Grünen Straßenbahn indes nicht wissen, ist, dass dieses Fahrzeug eine bemerkenswerte Geschichte hat. Bereits im Jahr 1975 fuhr sie während der Mannheimer Bundesgartenschau, damals modernster Straßenbahn-Wagentyp Mannheims. Es war eine Zeit des Aufbruchs und der Innovation, als die Straßenbahn zum Symbol des urbanen Fortschritts wurde. So ist es ein ganz besonderer Straßenbahnmoment, wenn diese Bahn auch im Rahmen der aktuellen BUGA wieder etwas mehr grün nach Mannheim bringt.
Bauart „Typ Mannheim“
Der Wagen 455, so die Nummer des Fahrzeugs, wurde von der Mannheimer Verkehrs-AG in den Jahren 1969 und 1970 als einer von zwanzig sechsachsigen Straßenbahn-Gelenktriebwagen beschafft. Er wurde von der Düsseldorfer Waggonfabrik DÜWAG gebaut, die elektrische Ausrüstung stammte vom Elektrokonzern BBC aus Mannheim-Käfertal. Es war die letzte Beschaffung von hochflurigen (und damit mit Treppeneinstieg realisierten) Straßenbahnwagen für Mannheim.
Dieser Straßenbahnwagen, der 1975 während der Mannheimer BUGA eingesetzt wurde, unterschied sich von seinen Vorgängern durch verschiedene Verbesserungen. Damals waren die maßgeblichen Neuerungen der Bauart „Typ Mannheim“: Die Fenster waren höher gestaltet, um auch stehenden Fahrgästen einen klaren Blick nach draußen zu ermöglichen. Größere Türfenster erlaubten den Fahrerinnen und Fahrern im Inneren, die an den Haltestellen wartenden Passagiere besser zu sehen. Außerdem erleichterten die aufgehängten Sitzbänke die Reinigung des Bodens und elektrisch bedienbare Rollbänder zeigten das Fahrziel an. Zudem wurden Doppelscheinwerfer zur besseren Ausleuchtung der Strecke und Federspeicherbremsen als Feststellbremse (anstatt zuvor Handbremsen) verwendet.
Heute historisch, damals brandneu
Diese damals top modernen Innovationen machten die Bahn zu einem Meilenstein im Nahverkehr. Sogar Klimaanlagen waren dabei: Zwar waren bei der Konstruktion nur die technischen Voraussetzungen am Fahrzeug geschaffen, aber noch keine Klimaanlage eingesetzt worden - als deutschlandweit erste Straßenbahnwagen mit Klimaanlagen wurden diese dann aber in allen 20 Fahrzeugen zur Bundesgartenschau 1975 eingebaut.
Die Zeit verging und die Straßenbahnen dieser Anschaffung wurden mehrfach leicht modernisiert. Sie blieben bis 2003, vor ziemlich genau 20 Jahren, im Einsatz. Zwölf der 20 Bahnen fanden neue Verwendungszwecke in anderen Städten und sogar im Ausland. Vier betriebsfähige Wagen, darunter auch die Nummer 455, gelangten 2005 nach Helsinki. Die heute als Grüne Bahn verkehrende Straßenbahn war dort bis Oktober 2013 im Einsatz. Von dieser Station im Norden künden heute noch einige Hinweisschilder auf Finnisch, die im Fahrzeug zu finden sind.
Rückkehr nach Mannheim vor 10 Jahren
Doch die Geschichte endet hier nicht. Das Schicksal - und die Interessengemeinschaft Nahverkehr Rhein-Neckar (IGN) - wollten es, dass dieser Wagen nach Mannheim zurückkehrt. Im Dezember 2013 fand er den Weg nach Mannheim zurück und wurde im Anschluss liebevoll restauriert, weitgehend in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt und neu lackiert. Die Anpassungen aus Helsinki wurden entfernt und auch die originalen Doppelscheinwerfer erstrahlen wieder in vollem Glanz. Heute steht der Wagen 455 als historisches Fahrzeug da, als ein Bindeglied zwischen der Bundesgartenschau von 1975 und der aktuellen BUGA 23.
Damit ist die aktuell in Mannheims Innenstadt verkehrende grüne Straßenbahn nicht nur ein faszinierender Denkanstoß für die Nachhaltigkeit des Personennahverkehrs, sondern auch eine Hommage an die Vergangenheit. Der Wagen 455 verbindet nicht nur die Mannheimer BUGA von damals mit der von heute, sondern auch die Menschen, die einst in ihm fuhren, mit den Menschen von heute. Mit der üppigen Begrünung mit Palmen, Klettergewächsen und vielen anderen Pflanzen inspiriert sie schließlich auch zu neuen Visionen für eine nachhaltige Zukunft.
Wann und wo fährt die grüne Bahn?
Die Grüne Bahn fährt vom 7. bis 18. Juni 2023 täglich zwischen 10 und 18 Uhr einen Kreis durch die Mannheimer Innenstadt entlang der Haltestellen Abendakademie, Gewerkschaftshaus, Rosengarten, Kunsthalle, MA Hauptbahnhof, Universität, Schloss, Paradeplatz und Marktplatz. Dabei kann jeder und jede mitfahren, Fahrgäste benötigen nur ein gültiges ÖPNV-Ticket, beispielsweise das Deutschlandticket.
Alle Informationen zum Fahrweg und Fahrzeiten sind hier zu finden: https://gruenebahn.buga23.de/