Dieser Beitrag wurde von Charles Hepper (Auszubildender) erstellt.
Die Straßenbahn in Heidelberg hat eine traditionsreiche Geschichte. Sie begann mit einer Pferdebahn, ging weiter mit einer Bergbahn – bis hin zu einer elektrischen und schließlich zu einer modernen Straßenbahn. Als letztere hat das Verkehrsmittel in der Stadt diverse Epochen er- und überlebt. Bis zur Gründung der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv) stand hinter all diesen Entwicklungen die Heidelberger Straßen- und Bergbahn Gesellschaft (HSB). Welche Geschichte die HSB hinter sich hat und warum sie heute, zu Zeiten der rnv, noch bedeutsam ist.
19. Jahrhundert: Vom Hauptbahnhof zum Marktplatz
Der Ursprung der Heidelberger Straßenbahnen liegt weit in der Stadtgeschichte zurück. Bereits im Jahr 1885 wurde die Heidelberger Straßen- und Bergbahn Gesellschaft (kurz HSB) gegründet. Zu Beginn gab es genau eine Strecke: Eine Pferdebahn vom ehemaligen Hauptbahnhof (nahe der heutigen Haltestelle Seegarten) zum Marktplatz. Und eines war von Beginn an klar: Diese Verbindung war beliebt bei der Bevölkerung.
Die große Beliebtheit zeigte sich in den folgenden Jahren am Netz: Es wurden zahlreiche weitere Strecken gebaut und eröffnet, um möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt die innovative Form der Fortbewegung zu bieten. Der Verlauf dieser ersten Trassen kann noch im heutigen Gleisnetz wiedererkannt werden, beispielsweise anhand der Strecke nach Rohrbach.
20. Jahrhundert: Der Funke springt über - Straßenbahn made in Heidelberg
Die Jahrhundertwende stand ganz im Zeichen der Elektrizität. Um mit den technischen Entwicklungen mitzuhalten, ging im Jahre 1901 die erste elektrische Straßenbahn in Betrieb. Sie führte von Heidelberg über Leimen und Nußloch nach Wiesloch. Diese wurde ursprünglich von einem anderen Unternehmen – der Deutschen Eisenbahn-Gesellschaft - betrieben und 1923 vollständig von der HSB übernommen. In den folgenden Jahren wurde das Streckennetz stetig erweitert. Mitunter wurden Neckargemünd, Eppelheim und Wieblingen an das Gleisnetz der Straßenbahn angeschlossen. Die eingesetzten Fahrzeuge wurden in der örtlich ansässigen Firma Waggonbau Heinrich Fuchs in Rohrbach gefertigt. Probleme aufgrund des Zweiten Weltkriegs trafen die HSB weniger stark als andere Verkehrsunternehmen: Da die Stadt nur wenig zerstört wurde, blieb die bereits bestehende Infrastruktur, bis auf die Neckarbrücken, weitestgehend erhalten und die Straßenbahnen fuhren nach dem Krieg sehr zügig wieder nach dem regulären Fahrplan.
Per Seil hoch zum Königstuhl
Zeitgleich mit der Entwicklung der Straßenbahn – Ende des 19. Jahrhunderts – wurde die Standseilbahn vom Kornmarkt über die Zwischenstation am Schloss zur Molkenkur. Sie wurde ursprünglich durch Wasserballast fortbewegt, ab 1907 durch einen elektrischen Antrieb. Am 30. März 1890 wurde die rund 170 Höhenmeter überwindende Strecke eröffnet. 17 Jahre später folgte die ,,obere Bergbahn“ von der Molkenkur zum Königstuhl. Beide Strecken sind noch heute sehr beliebt. Um Fahrgästen einen Anreiz zu bieten, die Bergbahn zu nutzen, eröffnete die HSB im Jahre 1972 auf dem Königstuhl das ,,Märchenparadies“ – ein Freizeitpark, der sich überwiegend an Kinder richtet. Mittlerweile befindet sich der Park in privatem Eigentum.
Nach einem tödlichen Unglück in einer Bergbahn in Kaprun im Jahr 2000 wurden die Sicherheitsvorkehrungen an Bergbahnen überprüft. In Heidelberg führte dies dazu, dass 2003 die Bergbahnen für rund ein Jahr geschlossen und saniert werden mussten. In diesem Zuge wurden die alten Wagen der oberen Bahn von 1907 technisch und äußerlich aufbereitet. Die untere Bergbahn bekam moderne Fahrzeuge. Beide Strecken gingen Anfang 2005 wieder in Betrieb und sind heute noch als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung.
Obwohl im Namen des Unternehmens bloß Straßen- und Bergbahnen genannt werden, sind auch Omnibusse ein Bestandteil der Geschichte der HSB. Sie spielten bis zum Ende des zweiten Weltkrieges jedoch eine untergeordnete Rolle im Heidelberger Stadtgebiet. Erst in den 1960er Jahren wurde ein Liniennetz vorgestellt, das aus etwa einem Dutzend Buslinien bestand. Diese ergänzten die Straßenbahnlinien als Zubringer in umliegende, bis zuletzt nicht angebundene Gemeinden, sowie entlang bereits stillgelegter Straßenbahnstrecken. Um die, teils steilen, Strecken in jeder Jahreszeit zu bewältigen, kamen mitunter auf den Linien zum Kohlhof und Königstuhl Schneeketten zum Einsatz.
Turbulente Zeiten im Heidelberger ÖPNV
Die Busse fuhren nun getaktet und zeitgleich schrumpfte das Heidelberger Straßenbahnnetz. In den 1960er und -70er Jahren wurden zahlreiche Strecken aufgrund attraktiver Omnibusverbindungen, sinkender Fahrgastzahlen und steigendem motorisierten Individualverkehr stillgelegt und zurückgebaut. Mitunter waren die Strecken nach Neckargemünd, Kirchheim und Schwetzingen betroffen.
Erschwerend kamen finanzielle Probleme hinzu. Diese führten zu Fahrpreiserhöhungen und darauffolgenden Protesten. Im Juni 1976 wurde, als letzte Strecke, die beliebte Verbindung zwischen Bismarckplatz und Karlstor durch die Hauptstraße aufgegeben. Ausschlaggebend hierfür war ein 1970 erschienener ,,Generalverkehrsplan“ des Ulmer Professors Karl-Heinz Schaechterle. Darin wurde beschrieben, wie der Straßenbahnbetrieb auf ein Minimum reduziert werden müsse, um die Wirtschaftlichkeit zu erlangen und erhalten. Der Vorschlag enthielt die Stilllegung der Strecken durch die Bergheimer Straße, über die Ernst-Walz-Brücke zum Bunsengymnasium, sowie der Strecke durch die Hauptstraße. Letztere Strecke war jedoch eine ertragreiche Verbindung, auf der die Hälfte der gesamten Fahrgeldeinnahmen der Straßenbahn erzielt wurde. Nichtsdestotrotz verkehrte am 4. Juni 1976 die letzte Straßenbahn durch die Hauptschlagader der Altstadt.
Im selben Jahr wurde die HSB im Zuge einer Neugliederung in die Heidelberger Versorgungs- und Verkehrsbetriebe (kurz HVV), heute Stadtwerke Heidelberg, eingegliedert.
Ein Licht im Dunklen
Anfang der 1980er Jahre entschied der Gemeinderat, dass die Straßenbahn ein unentbehrlicher Bestandteil des Heidelberger Verkehrswesens war. Hierdurch öffnete sich für diese eine sicherere Zukunft, welche auch mit größeren Kapazitäten auf einigen Straßenbahnlinien einherging. Dadurch kam es zu Planungen zur Beschaffung neuer Fahrzeuge. Man wurde bei der DUEWAG fündig. In den Jahren zuvor hatte die DUEWAG einen Nachfolger der, nunmehr altmodischen, Gelenkwagen entwickelt. Es entstand eine individuell, modular bestellbare Fahrzeugfamilie: Der M(eterspur)- bzw. N(ormalspur)-Wagen. Einige Verkehrsbetriebe, u.a. diejenigen in Essen, Bochum und Nürnberg, besaßen bereits Fahrzeuge dieser Generation. Die HSB bekam die Gelegenheit, ein Fahrzeug aus Essen vor Ort im Heidelberger Liniennetz zu testen.
Nachdem die Probefahrten im Linienbetrieb überzeugend verliefen, wurden bei der DUEWAG vier Wagen des Typs M8C (Ausgeschrieben: Stadtbahnwagen in Meterspur mit acht Achsen und Choppersteuerung) bestellt. Nach einem Betriebshofbrand im Jahr 1984 erhöhte man die Bestellung auf acht Fahrzeuge, um die zerstörten Fahrzeuge zu kompensieren. Durch diese Bestellung war die Zukunft der Heidelberger Straßenbahn vorläufig gesichert.
Brand im Heidelberger Betriebshof 1984
Am 23. August 1984 brach im Betriebshof ein Brand in der Wagenhalle der Straßenbahnen aus. Hierbei wurden drei Fahrzeuge des Typs GT6 vollständig zerstört, der GT8 mit der Wagennummer 204 wurde ebenfalls sehr stark beschädigt, jedoch anschließend wieder aufgebaut.
Die Wagen wurden ab 1984 geliefert und erhielten die Wagennummern 251 bis 258. Erstmals änderte sich das Aussehen der Fahrzeuge: Ab Werk bekamen sie eine hellblau-weiße Lackierung, anstelle der, bis dato üblichen, ,,Dunkeltürkisen“.
Die Fahrzeuge wurden zwischen 2009 und 2013 modernisiert. Sie wurden generalüberholt und erhielten im Zuge dessen einen neu gestalteten Fahrgastraum, sowie, als auffallendstes Merkmal, ein neues Niederflur-Mittelteil. Ein großer Meilenstein wurde hiermit erreicht: Seit Abschluss der Modernisierungsarbeiten sind alle Fahrzeuge, die auf den Heidelberger Straßenbahnlinien verkehren, barrierefrei nutzbar.
Was haben Erfurt, Halle (Saale) und Heidelberg gemeinsam?
Die Verkehrsbetriebe der drei Städte legten allesamt großen Wert auf einen modernen, zugänglichen Stadtverkehr. Davon war der ÖPNV am Ende der 80er, sowie Anfang der 90er Jahre geprägt: Er stand im Zeichen von Barrierefreiheit. Um den steigenden Anforderungen des öffentlichen Nahverkehrs gerecht werden und insbesondere mobilitätseingeschränkten Reisenden ein simples und attraktives Verkehrsangebot bieten zu können, entwarf die DUEWAG das Straßenbahnfahrzeug des Typs MGT6D (die Abkürzung steht für Meterspur Gelenktriebwagen mit 6 Achsen in Drehstromtechnik).
Diese beliebten Fahrzeuge wurden in großer Stückzahl an zahlreiche Betriebe in der ganzen Bundesrepublik verkauft. Mitunter Erfurt, Halle, Bochum und Heidelberg bestellten Fahrzeuge dieser Bauart. In den Jahren 1991 und 1993 bestellte die HSB insgesamt zwölf Niederflurwagen, welche die Wagennummern 261 bis 272 bekamen. Die ersten beiden Fahrzeuge trafen ab September 1994 ein, die restlichen zehn Wagen 1995, sodass alle zwölf Stück ab dem Frühjahr im Linienbetrieb eingesetzt wurden. Jeder von ihnen erhielt im Zuge einer Taufpatenschaft einen Taufnamen. Diese stammten unter anderem von Partnerstädten Heidelbergs, sowie von umliegenden Gemeinden, die von den Straßenbahnlinien bedient wurden und somit einen Bezug zur HSB hatten.
Wenige Jahre später wurde, mit den Verkehrsbetrieben aus Mannheim und Ludwigshafen, sowie der OEG, ein gemeinsamer Fahrzeugtyp bestellt: Die Rhein-Neckar-Variobahn. Mit einer Länge von 40 Metern, fünf Fahrgasttüren pro Seite mit Niederflureinstieg und einer elektrisch ausfahrbaren Rampe für Rollstühle und Kinderwägen wurde das neue Jahrtausend eingeläutet.
Das letzte große Projekt, welches von der HSB vor Gründung der rnv angestoßen wurde, war der Wiederaufbau der Straßenbahnstrecke nach Kirchheim. Wie bereits vor der Stilllegung der ursprünglichen Strecke, sollte die neue Linie wieder die Nummer 6 bekommen. Die Linie nahm, letztendlich doch „26“ genannt, im Dezember 2006 ihren Betrieb auf.
Heidelberg heute
Viele Menschen, die in den vergangenen Monaten in der Region unterwegs waren, haben ,,Unsere Neue“ sicherlich schon einmal gesehen. Dabei handelt es sich um die Rhein-Neckar-Tram, welche unter anderem auf der rnv-Linie 5 und damit auch im Heidelberger Gleisnetz im Regelbetrieb unterwegs ist. Zwar sind die Fahrzeuge nicht mehr blau-weiß lackiert, aber nach wie vor sind die Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit heute so großgeschrieben, wie in den 90er Jahren bei der HSB.
Welche Bedeutung hat die HSB heute?
Die HSB ist nach wie vor ein eingetragenes Unternehmen, das nun überwiegend im Hintergrund tätig ist. Sie ist Eigentümerin der Gleisinfrastruktur im Heidelberger Stadtgebiet, investiert und koordiniert die Entwicklung des städtischen öffentlichen Personennahverkehrs mit. Baumaßnahmen und Nahverkehrsprojekte werden von der HSB mitgeplant und mitfinanziert, wodurch sie maßgeblich den Ausbau des Verkehrsnetzes unterstützt.
Die Hälfte der Fahrzeugflotte, die täglich in Betrieb ist, hat nach wie vor „blaues Blut“: Die Fahrzeuge stammen von der HSB und sind in deren Eigentum, obwohl sie von der rnv betrieben werden. Operativ ist die HSB jedoch auch noch und wird ihrem Namen gerecht: Die Bergbahn wird nach wie vor durch die HSB betrieben.