Der RHB-1020 frisch saniert und lackiert als neues rnv-Eventfahrzeug zwischen den Haltestellen Neckarplatt und Pfeifferswörth.
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125 Jahre elektrische Straßenbahn

Willkommen zurück, RHB 1020!

Porträt Mathias Broll
Mathias Broll

am 20. November 2025

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Nach mehreren Jahren in der Sanierung ist ein besonderes Fahrzeug aus dem Fuhrpark der rnv wieder auf Strecke: Mit dem RHB 1020 kehrt die einst längste Straßenbahn der Welt zurück auf die Schienen der Metropolregion. Grund genug, die spannende Geschichte des Triebwagens zu beleuchten.

Ein Unikat für die Rhein-Haardtbahn

In den 1960er Jahren wurde es notwendig, neue Fahrzeuge zu beschaffen. Die bisher eingesetzten Hängerzüge sollten weiterentwickelt werden. Diese setzten sich aus einem Trieb- und einem Beiwagen zusammen. Dieser Fahrzeugaufbau war stets mit drei Personen besetzt: einem Fahrer und zwei Schaffnern – je einem pro Wagen.

Die neuen Fahrzeuge sollten durchgängig sein und nur noch mit zwei Personen besetzt werden: einem Fahrer und einem Schaffner. Durch das Zusammenfügen beider Teile versprach man sich weitere Vorteile. So konnte das Gesamtgewicht auf 34 Tonnen verringert werden. Gleichzeitig konnte die Fahrzeugtechnik vereinfacht werden. Neben dem Wegfall der mechanischen und elektrischen Kupplungen wurden auch die Heizungs- und Belüftungseinrichtungen verbessert.

RHB-1020 im Jahr 1982 auf dem Weg von Bad Dürkheim nach Mannheim
Wagen 1020 befindet sich im September 1982 auf dem Weg von Bad Dürkheim nach Mannheim.
© Ralph Dißinger

So wurde bei der Waggonfabrik Uerdingen im Werk Düsseldorf, kurz DÜWAG, ein eindrucksvolles Fahrzeug in Auftrag gegeben: Die Mannheimer Verkehrs-Aktiengesellschaft (MVG), welche damals mehrheitlich Anteile an der Rhein-Haardtbahn (RHB) hielt, beauftragte vier Fahrzeuge mit knapp 38,5 Meter Länge. Der Gelenktriebwagen, betrieblich als ET12 bezeichnet, wurde somit zur längsten Straßenbahn der Welt. Die elektrische Ausstattung wurde von Siemens in Erlangen und der Mannheimer BBC zugeliefert.

Die Fahrzeuge wurden speziell auf die Bedürfnisse ihres Einsatzgebiets zugeschnitten. Da die Wagen auf der Überlandstrecke zwischen Ludwigshafen und Bad Dürkheim eingesetzt werden sollten, hatten sie weniger Türen, als die Bahnen der städtischen Verkehrsbetriebe. Dadurch konnte die Anzahl der Sitzplätze auf 118 erhöht werden. Zusammen mit den verfügbaren Stehplätzen, konnten in dem neuen Fahrzeug 320 Fahrgäste transportiert werden.

Der RHB-1020 in Ludwigshafen Frankenthaler Straße
Im Januar 1983 fährt der 1020 auf der damals noch existierenden Strecke durch die Frankenthaler Straße in Ludwigshafen. Diese wurde im selben Jahr durch die stadtbahnmäßig ausgebaute Strecke zwischen Heinrich-Pesch-Haus und der BG Unfallklinik über offenes Feld ersetzt.
© Ralph Dißinger

Ansonsten basieren die Bahnen auf dem klassischen DÜWAG-Gelenktriebwagen, welcher sich in ganz West-Deutschland bewährt hatte. Beim ET12 waren zwei Drehgestelle angetrieben, die restlichen vier waren antriebslose Laufdrehgestelle. Bei einer Motorleistung von zweimal 150 kW konnte eine Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h erreicht werden.

Aushängeschild der Flotte und Modernisierungen

Nach ihrer Inbetriebnahme 1967 wurden die Fahrzeuge schnell zum Aushängeschild der Rhein-Haardtbahn. Durch ihre außergewöhnliche Länge und den Titel als längste Straßenbahn der Welt erhielten sie bundesweit Aufmerksamkeit – und das nicht nur von Fans der Materie. Beim alljährlichen Bad Dürkheimer Wurstmarkt, dem größten Weinfest der Welt, stellten die Züge ihr Fassungsvermögen unter Beweis. Außerdem waren sie ein begehrtes Fotomotiv – im Linienbetrieb oder bei Sonderfahrten.

Über die Jahre wurden die Fahrzeuge fortlaufend modernisiert, ähnlich wie die städtischen Fahrzeuge. Die Wagen erhielten teilweise eine neue Innenbeleuchtung, was mit dem Ausbau der klassischen Glühlampen und dem Einbau von Neonröhren einherging. Auch wurden die originalen Kunstlederbänke durch stoffbezogene Einzelsitze ersetzt oder das Fahrpult überarbeitet. Die ursprünglich verbauten Frontscheinwerfer wichen ab einem gewissen Zeitpunkt einer moderneren und kleineren Version. 

Verbleib der Fahrzeuge

Über die Jahre veränderte sich der Wagenpark und die Anforderungen an Fahrzeuge im Linienbetrieb. Mit Auslieferung der ET8N im Jahr 1995, welche nun den Titel der längsten Straßenbahn der Welt trugen, wurden erstmalig niederflurige und dadurch barrierefreie Fahrzeuge auf der Rhein-Haardtbahn eingesetzt. Auch der vermehrte Einsatz von achtachsigen Wagen vom Typ Rhein-Neckar-Variobahn ab 2003 oder anderen Fahrzeugen aus Mannheim und Ludwigshafen ließ die ET12 nach und nach obsolet werden.

Der Wagenkasten des RHB-1020 steht auf Hilfsfahrwerken in der Zentralwerkstatt Mannheim der rnv.
Während seiner Instandsetzung stand der 1020 in der Mannheimer ZWM
© Jürgen Niemeyer

Bereits 2001 wurde Wagen 1021 nach einem Unfall abgestellt. Im Jahr 2009 folgte der 1019. 2007 verabschiedete sich der 1020 ebenfalls aus dem Linienbetrieb und wurde abgestellt. Der zum damaligen Zeitpunkt letzte betriebsfähige Wagen 1021 brannte 2009 am Bad Dürkheimer Betriebshof und wurde 2011 gemeinsam mit dem 1019 verschrottet.

Kurz nach der Abstellung des 1020 kamen erste Ideen bezüglich des Erhalts und der Sanierung des Fahrzeugs auf. An diesen Planungen war zunächst der Verein Bahnfreunde Rhein-Neckar-Pfalz e.V. federführend beteiligt. Später folgte die Unterstützung durch die rnv. 2013 begann die Demontage verschiedenster Bauteile am Wagen. Im vorläufigen Endzustand sollte nur der „nackte“ Wagenkasten ohne Auf- oder Einbauten zur Sanierung übrigbleiben. Über die Jahre geriet das Projekt jedoch ins Stocken, da die finanziellen Mittel zur Instandsetzung erschöpft waren und der Verein diese allein nicht tragen konnte. So beschloss die rnv, die Wiederinbetriebnahme des historischen und besonderen Fahrzeugs unter Eigenregie fortzuführen.

Feiern in der Straßenbahn

Party mal anders: Eine Hochzeit in Mannheim, ein Geburtstag in Ludwigshafen oder ein Fest mit Freunden in Heidelberg – unsere drei historischen Straßenbahnen bieten den perfekten Rahmen für jede Gelegenheit. Die drei Oldtimer sind komplett restauriert und haben Platz für bis zu 50 Personen. Sie haben die Wahl: Ob goldene Zwanziger im rnv Salonwagen, wilde Sechziger im rnv Sixty oder feiern in der ehemals längsten Straßenbahn der Welt, der RHB-1020.

Nach dem langwierigen Prozess der Wagenkastensanierung wurde damit begonnen, das Fahrzeug wieder zusammenzusetzen. Neben der Instandsetzung der Elektrik sowie der Verkabelung wurden die Drehgestelle überholt und der Innenraum originalgetreu aufgebaut. Auch wurden die Holzvertäfelung, die Polsterung der Sitze und zum Schluss die Lackierung instandgesetzt.

Zukunft als neues Eventfahrzeug

Während der Sanierung wurde entschieden, dass der 1020 ein zweites Leben als Eventfahrzeug haben wird. Die Länge der Bahn ermöglicht nun, größere Gruppen bei Sonderfahrten durch die Metropolregion zu fahren. Im Zuge der Ertüchtigung als Eventfahrzeug wurden eine große Theke, ein Ausschank sowie größere Tische an den Sitzplätzen eingebaut. Zusätzliche Gardinen sorgen für eine besondere Atmosphäre.

Im November 2025 war es dann so weit: Der frisch sanierte 1020 fuhr zum ersten Mal mit Fahrgästen durch die Metropolregion und kann seitdem für Sonderfahrten gebucht werden. Somit wird der Wagen als letztes Fahrzeug seiner Art auch in Zukunft das Flair der 1960er Jahre auf die Strecke bringen – und das als einst längste Straßenbahn der Welt.

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