Mehr Platz, mehr Fahrkomfort und mehr Barrierefreiheit: Das sind nur drei Vorteile, die die neuen Rhein-Neckar-Trams (RNT) mitbringen. Seit April 2023 sind die Menschen in der Region mit den Bahnen aus dem Hause Škoda und mit gutem Gefühl unterwegs. Welche Vorteile sie gegenüber ihren Vorgänger-Modellen bietet, wie die Menschen in der Region der neuen Bahn Individualität gaben und warum doch nicht jeder Fahrgast vollkommen glücklich aussteigt, lest ihr in diesem Blogbeitrag.
Quadratisch im Profil und mit stufenlosem Einstieg kamen zunächst die sogenannten Gelenktriebwagen mit Niederflureinstieg (GTN) im Jahr 1998 auf die Schienen der Region. Vor knapp 30 Jahren waren sie eine Revolution. Denn bis zu ihrer Einführung mussten Fahrgäste zum Einsteigen noch mehrere Stufen nehmen. Kinderwagen oder Menschen mit Rollstuhl mussten mit großer Kraftanstrengung nach oben bzw. wieder nach unten gehoben werden. Später gab es für diese Bahntypen Bereiche mit ebenerdigem Einstieg, die in die Mitte der beiden Wagenteile gehängt werden konnten, und so ein paar Barrieren weniger.
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Der Grund für die Stufen lag an den Drehgestellen, auf denen die Fahrgasträume aufgebaut waren und die eine gewisse Höhe hatten, damit sie sich in den engen Kurven des regionalen Meterspurnetzes ausreichend ausdrehen können. Um einen barrierefreien Einstieg zu ermöglichen, wurde bei den GTN-Bahnen auf Drehgestelle verzichtet. Stattdessen wurden die Wagenkästen auf starre Radachsen fest verschweißt.
Ebenerdiger Einstieg und Drehgestelle waren lange Zeit nicht miteinander vereinbar. So wurden auch die nachfolgenden Fahrzeugtypen, wie die Variobahn und die RNV-Bahn, durchgängig niederflurig und mit starren Wagenkästen gebaut. Und nun 20, 30 Jahre später sieht die Welt wieder ganz anders aus.
Mehr Platz, mehr Fahrkomfort, mehr Barrierefreiheit
Die Notwendigkeit zur Barrierefreiheit ist geblieben, das Meterspurnetz auch. Zudem steigen immer mehr Menschen im größten zusammenhängenden Meterspurnetz in Deutschland auf den ÖPNV um. So viele Fahrgäste brauchen Platz und Fahrkomfort – und sie wollen mitreden. Zudem haben sich die Sicherheitsstandards weiter verändert. Und in der Zwischenzeit haben sich die früheren Verkehrsgesellschaften der Städte Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen (MV, HSB und VBL) sowie die OEG und die RHB bekanntermaßen zur Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv) zusammengeschlossen. Ihr Fuhrpark aus unterschiedlichen Fahrzeugtypen blieb aber erstmal erhalten – bis jetzt.
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Denn die RNT ist die neue Bahn für die ganze Region. Sie bietet Mobilität für alle, nach den Wünschen (fast) aller – und das für die nächsten 30 bis 40 Jahre. So wurden bei der Konzeption sowohl die zwingenden Voraussetzungen wie begrenzte Breite wegen des Meterspurnetzes oder die aktuellen Sicherheitsnormen und Standards wie Niederflurigkeit und Barrierefreiheit berücksichtigt. In einem groß angelegten Dialogverfahren wurden die Wünsche zahlreicher Interessenverbände von Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Behinderungen, Familienbeiräte, Radfahrverbände und Fahrgastverbände einbezogen. Basierend auf ihren Rückmeldungen wurde beispielsweise die Anordnung der Türen auf beiden Fahrzeugseiten optimiert.
“Wir mussten eine Bahn für alle Fahrgäste entwickeln. Dafür waren auch Kompromisse notwendig, weil die Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen spürbar voneinander abweichen”, sagt Frank Ehemann, Bereichsleiter Fahrzeuge bei der rnv. So musste auch priorisiert werden. Allen Ansprüchen gerecht zu werden, war dagegen nicht möglich.
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Ein Gewinn ist die RNT dennoch: Die Fahrzeuge sind zumeist länger als die alten. Entsprechend der unterschiedlichen Ansprüche an die Kapazität gibt es sie in einer Ausstattung von 30, 40 oder 60 Metern Länge. Trotz des schlanken Designs werden so insgesamt mehr Sitzplätze für die Fahrgäste im Netz bereitgestellt. Diese müssen in den gegenüberliegenden Sitzgruppen auch nicht mehr Schulter an Schulter sitzen. Dafür wurden die Sitze jeweils versetzt. Dadurch kommen Fahrgäste beim Aussteigen aus einer Vierer-Sitzgruppe einfacher aneinander vorbei.
Rollstühle und Rollatoren nach vorne - Kinderwagen und Fahrräder nach hinten
Auch die Taster für den Haltewunsch sind so angebracht, dass sie höchstens eine Armlänge entfernt sind. Wer mehr Zeit zum Aussteigen braucht, drückt den blauen Taster. Wer eine Rampe benötigt, um bequem auszusteigen, findet den Taster dafür an den Multifunktionsplätzen, wo Fahrgäste ihren Rollstuhl oder E-Scooter abstellen können.
Diese Plätze sind an der ersten Tür zu finden. Hier steigen all jene ein, die mit einem Hilfsmittel unterwegs sind. Hier gibt es zudem vier Sitze, für die keine Stufe zum Podest überwunden werden muss. Wer mit dem Kinderwagen oder Fahrrad unterwegs ist (Zeiten für die Fahrradmitnahme beachten!), steigt dagegen hinten ein und hilft so dabei, dass mobilitätsbeeinträchtigte Menschen schnell einen sicheren Platz vorne finden.
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Wer dagegen keinerlei Einschränkungen hat, steigt am besten in der Mitte ein und sucht sich schnell einen freien Platz über einem der Drehgestelle. Diese sorgen jetzt für ein noch angenehmeres Fahrgefühl in den Kurven und für weniger Verschleiß an Gleisen und Fahrzeugen. Das sorgt wiederum für weniger Baustellen und weniger Fahrzeugausfälle. So weit so gut?
Und was ist mit Kritik?
Mit der weiteren Auslieferung von RNT-Fahrzeugen in den vergangenen Monaten erreichen uns natürlich auch kritische Hinweise zur Fahrzeuggestaltung, denen jeweils ein positives Ausstattungsmerkmal gegenübersteht. : “Die Gänge sind enger als bei den alten Bahnen.” Dafür gibt es mehr Sitzplätze. “Sitze sind aus Holz.” Auf viele Menschen wirkt Holz schicker und hygienischer – wer lieber Polster mag, findet in der RNT auch Polstersitze. “Es gibt zu wenig Haltegriffe.” Sich über Kopfhöhe festzuhalten, fällt vielen Fahrgästen schwer. Deshalb gibt es mehr Haltestangen. “In den Multifunktionsbereichen fehlt eine Stange im Raum, an der man sich beim Fahren festhalten kann.” Diese würde für Menschen mit Rollstuhl, Rollator oder mit E-Scooter aber eine unnötige Barriere darstellen.
Insgesamt lässt sich aber feststellen, dass viele mobilitätseingeschränkte Personen mit den neuen RNT-Fahrzeugen ein Stück weit an Mobilität gewonnen haben. Zudem zeigt die Erfahrung, dass viele Fahrgäste auf Neuerungen zunächst skeptisch reagieren und sich erst im Zuge der weiteren Verbreitung mit dem neuen Fahrzeugtyp anfreunden.