Dieser Beitrag wurde von Jonas zum Egen (Auszubildender zur Fachkraft im Fahrbetrieb) erstellt.
Es war einmal die OEG…
Heute beschäftigen wir uns mit einem weiteren Betriebsteil der rnv, neben der Rhein-Haardtbahn (RHB) die schon vorgestellt wurde, handelt es sich bei der OEG auch um eine Eisenbahngesellschaft.
Doch kommen wir erstmal zur Namensklärung, denn die OEG hat viele Namen. Ausgeschrieben heißt sie Oberrheinische Eisenbahn-Gesellschaft. Im Volksmund wird sie gerne auch „Die Owwerrheinische“ oder vor allem „Ög“ genannt.
Gegründet wurde sie 1911 und hatte formal bis 2010 Bestand. In diesen fast 100 Jahren kann die OEG auf eine interessante und vielseitige Historie zurückblicken. Die Hauptstrecken der OEG waren sowohl die drei verbundenen Bahnstrecken Mannheim-Heidelberg, Heidelberg-Weinheim, Weinheim-Mannheim, als auch die Strecke Käfertal-Heddesheim. Hierbei ist anzumerken, dass die OEG die Strecken nicht selbst gebaut hat, sondern von der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) übernommen hat, die diese schon Ende des 19. Jahrhunderts gebaut hatte. Hinzu kamen etliche Gleisanschlüsse zu Industriebetrieben sowie eigens für den Güterverkehr vorgehaltene Strecken.
Über die vielen Jahrzehnte gab es zahlreiche Änderungen im Streckenverlauf: Die größte davon war der Neubau der Verbindung zwischen Seckenheim und Wieblingen. Früher verlief die Strecke von Seckenheim kommend über Neckarhausen und den dort bestehenden Neckardamm in den Edinger Ortskern und entlang der Landstraße Richtung Wieblingen. 1928 schon wurde der heutige Verlauf über Neu-Edingen Gewerbegebiet zum Edinger OEG-Bahnhof und am Wasserturm entlang zum Taubenfeld neu gebaut. 1969 ging die Strecke über Neckarhausen aufgrund mangelnder Nachfrage schließlich außer Betrieb.
Nachdem die Strecken von Mannheim aus nach Weinheim schon 1914 und nach Heidelberg 1928 elektrifiziert wurden, konnte aufgrund von kriegsbedingten Verzögerungen der Abschnitt entlang der Bergstraße zwischen Schriesheim und Weinheim erst 1956 elektrisch eröffnet werden. Ab diesem Zeitpunkt war auch die bis heute bestehende Rundfahrt möglich.
Auch Güterverkehr gab es zahlreich auf den Strecken. Dieser wurde mit der Verbreitung des Lkw allerdings zunehmend unrentabel und in den 1970er Jahren eingestellt. Besonders spannend dabei war, dass auch Wagen der Bundesbahn befördert wurden. Diese waren allerdings in der Spurweite der Räder (1435mm) deutlich breiter, als die Spurweite der Gleise auf der OEG-Strecke (1000mm), sodass im OEG-
Güterbahnhof Heidelberg die Wagen auf zusätzliche Achsen mit der richtigen Spurweite geschoben wurden – eine Art Rollschuh für Güterwagen.
Eine große verkehrliche Maßnahme wurde im Jahre 1995 umgesetzt, als die Stecke von Neuostheim kommend am Collini-Center direkt an die Innenstadt angebunden wurde und die Züge so nicht mehr am OEG-Bahnhof Kurpfalzbrücke endeten. Somit war die letzte Lücke im OEG Netz geschlossen und es konnte der Linienweg der heutigen Linie 5 durchgeführt werden.
Dies war die letzte bedeutende Maßnahme der eigenständigen OEG, denn schon im Jahr 2000 machte die OEG einen großen Schritt ihrem Ende entgegen, da die MVV GmbH einen großen Aktienanteil übernahm. Kurz darauf wurde sie in MVV OEG AG umbenannt. 2004 ging es dann weiter mit der Gründung der rnv, die ab 2005 den Betrieb auf den Strecken durchführte.
Der letzte Schritt geschah dann im Jahre 2010, mit dem Verschmelzen der beiden städtischen Unternehmen MVV OEG AG und MVV Verkehr AG. Seitdem ist die OEG aus dem Handelsregister gestrichen und
existiert somit formal nicht mehr, anders als die RHB. Formal wird die Infrastruktur der Linie 5 immer noch von der Mannheimer Verkehr GmbH betrieben. Die rnv ist für den Fahrbetrieb zuständig.
Erst nach der Auflösung der OEG wurde die letzte große Maßnahme fertiggestellt: Der Streckenausbau an der Bergstraße. Hierbei wurde die Strecke zwischen Schriesheim und Weinheim zweigleisig
ausgebaut, aufwendig saniert und mit moderner Technik ausgestattet. Im November 2011, nach neunmonatiger Vollsperrung, war es dann soweit, der Zugverkehr wurde wieder aufgenommen.
Und damit befinden wir uns auch am aktuellen Stand des Kunstwerks. Nun kommt sicherlich die Frage auf, „Was denn für ein Kunstwerk?"
Mit "Kunstwerk" ist nicht nur der bunt gestaltete Wagen 4115 gemeint, sondern die elegante Verknüpfung der Überlandabschnitte Heidelberg - Mannheim, MA-Käfertal – Weinheim – Heidelberg mit den Innenstadtstrecken in Mannheim und Heidelberg.
Wie die Eisenbahn zur Straßenbahn wird
An den Übergängen zum innerstädtischen Netz wird schnell aus einer Eisenbahn eine Straßenbahn. Für Fahrgäste unbemerkt ändert sich dabei eine ganze Menge. In der Innenstadt gelten die Regeln der BOStrab (Bau- und Betriebsordnung der Straßenbahn). Es wird also auf Sicht gefahren und die „Ampeln“ sind balkenförmige Lichtsignale, die je nach Position die Weiterfahrt (in eine bestimmte Richtung) erlauben oder verbieten. Verlässt ein Zug die Innenstadt, findet ein Wechsel statt. Er fährt nun nicht mehr nach BOStrab, sondern nach der ESBO (Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung für Schmalspurbahnen). Hierbei wird nun nicht mehr auf Sicht gefahren, sondern nach Lichtsignalen die Halt- oder Fahrtbegriffe in rot oder grün anzeigen, auch gelb kann man hin und wieder erkennen. Dies ist dann der Fall, wenn
das nächste Signal rot ist. Mehr dazu auch hier.
Außerdem befinden sich die Gleise dann außerhalb des Straßenbereichs und der restliche Verkehr kann diese nur noch mittels Bahnübergang kreuzen. Eine Besonderheit dabei bilden die sogenannten „Ortsdurchfahrten“, bei denen die Strecke weiterhin eine Eisenbahnstrecke ist, aber dennoch einige Regeln der Straßenbahn gelten. Hierbei befinden sich die Gleise in der Straße und die Bahnen müssen sich
den Platz mit dem Individualverkehr teilen. Für diese besonderen Anforderungen werden jederzeit vielfältige technische Lösungen benötigt. Eine große Rolle spielen dabei die Fahrzeuge, die sowohl in der Innenstadt als auch auf den Überlandstrecken fahren können müssen.
Ein Fahrzeug kommt selten allein
In der über hundertjährigen Geschichte hat sich durch fortlaufende Beschaffung von Fahrzeugen mit technischen Neuerungen eine große Vielfalt an Bahnen angesammelt. Zu Beginn wurden auf vielen Strecken Dampflokomotiven eingesetzt. Vielerorts wurden sie aber schon früh von elektrischen Triebwagen verdrängt. Einige blieben hingegen bis in die 50er Jahre im Dienst und wurden dann durch Dieselloks ersetzt.
Schon 1914 beschaffte die OEG elektrische Trieb- und Beiwagen für die Strecke Mannheim-Weinheim, welche bis in die 60er Jahre unterwegs waren. Auch heute sind noch zwei Triebwagen erhalten, allerdings in stark aufarbeitungsbedürftigem Zustand.
Da im Jahre 1928 auch die Strecke Mannheim-Heidelberg elektrifiziert wurde, benötigte die OEG einen Schwung neuer Triebwagen. Daher wurden 21 „Halbzüge“ bestellt, die aus einer Einheit von zwei Wagen bestehen. Der Name kommt daher, dass diese Zwei-Wagen-Einheit mit einer weiteren zu einem „Ganzzug” verbunden werden kann. Obwohl diese Fahrzeuge bereits 1974 aus dem Liniendienst ausschieden, kann man heute noch regelmäßig ein Exemplar im Netz der rnv antreffen. Denn ein erhaltener Halbzug wird als „Salonwagen“ vermarktet, welchen man für Events mieten kann.
Anfang der 50er Jahren wurden einige vierachsige Triebwagen bei der in Heidelberg ansässigen Waggonfabrik Fuchs bestellt, um den Fahrgastzuwachs des Wirtschaftswunders bewältigen zu können. Da diese schon wenige Jahre später den Bedarf nicht mehr decken konnten, war es bereits Ende der 50er Jahre notwendig, weitere Triebwagen ähnlicher Bauart bei der in Rastatt ansässigen Waggonfabrik zu bestellen. Auch diese sind noch regelmäßig zu beobachten, da einige von ihnen zu Arbeitswagen umgebaut wurden und diverse Aufgaben erledigen. Hinzu kamen Beiwagen, um die Kapazität der Züge weiter zu vergrößern.
Große Neuerungen folgten in den 1960er Jahren. Erstmals wurden Fahrzeuge bestellt, die auf 30 Meter Länge durchgängig begehbar waren und der Einsatz von Beiwagen somit stetig schrumpfte. Eines dieser Fahrzeuge gehört ebenfalls zu den rnv-Eventbahnen, dieser wird als „Sixty“ bezeichnet.
Mitte der 60er Jahre bestellte die OEG die ersten von insgesamt 35 Einheiten des Gt8. Hergestellt von der Firma Düwag prägten die bulligen Bahnen mit ihrem formschön geschwungenen rot-weißen Design über Jahrzehnte das Erscheinungsbild der OEG. Die neun bis heute im Einsatz stehenden Fahrzeuge sind weiterhin unverzichtbar, denn sie verstärken die Kapazität in der Hauptverkehrszeit und im morgendlichen Schülerverkehr. Auch für kurzfristige Reserveeinsätze stehen die robusten Gt8 stets zuverlässig zur Verfügung. Nicht selten hört man dann im Fahrzeug und an den Haltestellen Erwachsene mit glücklichen Blicken sagen: „Ah, mit der bin ich immer zur Schule gefahren, das war immer die Ög!“
Auch das Niederflurzeitalter hielt bei der OEG Einzug. 1996 beschaffte man sich sechs Fahrzeuge des Typs „V6“, diese Kleinserie ist der Prototyp der Variobahnen, die heute im ganzen Netz zu finden sind. Auffallend sind bei den V6 die kantige Form und die nach außen schwenkenden Türen.
Und damit sind wir bei den heutigen Fahrzeugen angekommen, die auf der Linie 5 unterwegs sind. Den Großteil des Verkehrs stemmen die von 2003-2013 in mehreren Stufen beschafften Variobahnen des Typs RNV6Z (Das Z steht für Zweirichtungsfahrzeug; somit können die Bahnen problemlos in beide Richtungen fahren und haben auch auf beiden Seiten Türen für den Fahrgastwechsel, anders als in Mannheim zum Beispiel). Bedingt durch die Einsatzzeit von fast 20 Jahren werden die Fahrzeuge nun nach und nach saniert und für den weiteren Betrieb fit gemacht.
Doch nun steht schon wieder eine Veränderung an: Mit Inbetriebnahme der neuen Rhein-Neckar-Tram kommen diese Fahrzeuge auch auf der Linie 5 zum Einsatz. Somit werden sich vor allem die älteren Fahrzeuge wie die Gt8 und V6 aus dem Liniendienst verabschieden und Platz machen für neue und moderne Fahrzeuge. Somit wären wir auch schon mitten im nächsten Thema, nämlich der zukünftigen Entwicklung.
Ein Blick in die Kristallkugel
So eine Eisenbahnstrecke ist nicht irgendwann mal „einfach fertig“. Sie ist ein fortlaufendes Projekt, welches ständig weiterentwickelt wird. So auch bei unserer „Ög“. In den kommenden Jahren steht viel an und wird auch jetzt schon umgesetzt. Zurzeit geht es weniger um eine Erweiterung des Netzes, sondern darum, dieses zuverlässiger und flexibler zu gestalten. Dafür sollen über 80 neue Signale und 23 Weichen eingebaut werden, um die Züge flexibler auf den vorhandenen Gleisen fahren zu lassen. Darüber hinaus gibt es ein weiteres zukunftsweisendes Projekt, das bereits gestartet ist. Der Neubau der Strecke ins Stadtquartier FRANKLIN sowie die Verknüpfung an der Haltestelle Bensheimer Straße mit der Strecke der OEG bringt ebenfalls einige Veränderungen mit sich. Dadurch, dass in Zukunft auf dem Abschnitt mehr Bahnen fahren sollen steht ein echtes Mammutprojekt vor der Tür; der Umbau des Betriebshofs Mannheim-Käfertal. Dieser soll zusammen mit dem angrenzenden Bahnhof Schritt für Schritt umgebaut, erweitert und saniert werden.